Freitag, 16. Dezember 2016

PREFERE – ein Desaster mit Ansage

Ein Kommentar von Franz-Günter Runkel

Das Scheitern der PREFERE-Studie ist das schlimmste wissenschaftliche Desaster in der deutschen Urologie der vergangenen Jahrzehnte. Der Schaden am Ruf des Fachs ist beträchtlich. Ein „Weiter so“ wäre in dieser Situation die schlechteste aller Lösungen. Es ist Zeit, zwei Fehlerquellen konkret zu benennen:

1. Die Studienleitung mit Michael Stöckle und Thomas Wiegel hat versagt: Wenn die aus Sicht der Sponsoren „eigentlichen Studienfragestellungen“ aufgrund der weit hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Rekrutierung nicht beantwortet werden können, waren Studienkonzept und -design in Relation zur Aufgabe ungeeignet. Es gab offenbar kein valides Marketingkonzept für die essenzielle Patientenrekrutierung. Genau das ist fahrlässig versäumt worden. Stattdessen erging man sich in dubiosen Diffamierungen der Kritiker. Wenn Ergebnisse der älteren ProtecT-Studie „grundlegende Änderungen im Studiendesign“ von PREFERE notwendig gemacht haben, dann wurden wissenschaftliche Entwicklungen jenseits von PREFERE nicht ausreichend berücksichtigt. Studienleiter und Steering Committee müssen sich dieser Verantwortung stellen oder sie müssen zur Verantwortung gezogen werden.

2. Den Sponsoren Deutsche Krebshilfe und Krankenkassen fehlte es an kritischem Urteilsvermögen: Obwohl sich die Finanziers der Herausforderungen „hohe Rekrutierung“ und „schwierige Randomisierung“ „von Anfang an bewusst waren“, wie sie selbst schreiben, haben sie den Versprechungen der Studienleitung auch dann noch allzu unkritisch vertraut, als PREFERE längst gescheitert war. Die Reißleine hätte viel, viel früher gezogen werden müssen.

DGU und BDU sollten nun eine Untersuchungskommission einsetzen: Rat und Hilfe sind wertvoll, aber besser wäre es, von einer Kommission die Fehler der PREFERE-Studie ohne Ansehen der Personen kritisch aufarbeiten zu lassen und strukturelle Konsequenzen für die Forschungsförderung der Fachgesellschaft zu ziehen. Das Ziel sollte klar sein: PREFERE darf sich nicht wiederholen.

Sponsoren beenden die Förderung der PREFERE-Studie zum Jahresende


Angesichts eines Desasters von letztlich nur 343 rekrutierten Patienten haben die Deutsche Krebshilfe, die gesetzlichen Krankenkassen und die privaten Krankenversicherungen beschlossen, die PREFERE-Studie zur Bewertung der gängigen Behandlungsoptionen bei Frühformen des Prostatakarzinoms nicht fortzuführen und die Studienförderung zum 31. Dezember 2016 zu beenden. „Die Zahl der eingeschriebenen Patienten ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, konstatiert die Deutsche Krebshilfe in einer Pressemitteilung. Von den geplanten Gesamtkosten in Höhe von insgesamt 23 Millionen Euro waren bereits mindestens 8 Millionen Euro ausgegeben worden. In München hatten sich Anfang November namhafte Kritiker der Studie getroffen und die Schwachstellen der Studie deutlich benannt.

Deutsche Krebshilfe und Krankenkassen bedauern den vorzeitigen Abbruch der Studie, weil nun weiter unklar bleibe, von welcher der vier Therapieoptionen – radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie, Brachytherapie sowie aktive Überwachung – die PCa-Patienten am meisten profitierten. Allerdings räumen die Sponsoren auch das Scheitern der Studie ein. Die Deutsche Krebshilfe begründet das Ende ihrer Förderung so: „Das vor dreieinhalb Jahren begonnene Studienprojekt hat die Erwartungen zur Durchführbarkeit, insbesondere der Rekrutierungsrate, die der Entscheidung, die Studie zu fördern, zugrunde lagen, nicht erfüllt. Den Förderern erscheint es nicht vertretbar, eine Studie fortzusetzen, die absehbar nicht abgeschlossen werden kann und damit die eigentliche Studienfragestellung nicht beantworten wird.“

Den Förderern der Studie waren die Herausforderungen nach eigener Aussage „von Anfang an bewusst – insbesondere die Aspekte hohe Teilnehmerzahl und Randomisierung“. Sie müssten nach dreieinhalb Jahren jedoch konstatieren, „dass die Herausforderungen des Studiendesigns möglicherweise unterschätzt wurden“. Zu viele Urologen nicht zur Mitwirkung bereit. Wie Prof. Jürgen Fritze vom Verband der Privaten Krankenversicherung erläuterte, war „beispielsweise nicht zu antizipieren, dass der überwiegende Teil der Studienpatienten die Standardtherapien – Operation und konventionelle Strahlentherapie – abwählt“. Dies habe dazu geführt, dass sich die Teilnehmerzahl nochmals deutlich erhöhen musste, um valide Studienergebnisse zu erhalten. Durch den unmittelbaren Kontakt mit niedergelassenen Urologen, die in der Regel die erste Anlaufstelle für den Patienten sind, hätten die Förderer noch während der Studienlaufzeit erkannt, dass ein Viertel der niedergelassenen Urologen nicht bereit gewesen sei, an PREFERE mitzuwirken.

„Den Patienten konnte anscheinend nicht ausreichend vermittelt werden, dass die Frage der besten Therapie wissenschaftlich unbeantwortet ist, dass also die Empfehlung der einen gegenüber der anderen Therapie unfundiert ist. Denn anderenfalls wären die Patienten der Logik gefolgt, dass die Randomisierung jedenfalls keinen Nachteil bedeutet, aber Erkenntnisgewinn,“ so Fritze. Nach einem Krisentreffen der Sponsoren mit den Studienleitern – Prof. Michael Stöckle (2.v.l.), Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg/Saar, und Prof. Dr. Thomas Wiegel (l.), Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Ulm – ging wohl kein Weg mehr an der Einstellung von PREFERE vorbei.

Zudem hätten laut Stöckle und Wiegel auch die kürzlich veröffentlichten Daten der englischen ProtecT-Studie „grundlegende Änderungen im Studiendesign notwendig gemacht“. Für die weitere Betreuung der 343 Patienten, die sich bisher für eine Teilnahme entschieden haben, bringt die Beendigung der PREFERE-Studie nach Aussage der Deutschen Krebshilfe keine Nachteile. Das Studienkonzept und -design war seitens der Deutschen Krebshilfe und der Kostenträger abgestimmt worden mit der DGU, der Deutschen Gesellschaft für Radiologie, dem BDU, der Deutschen Krebsgesellschaft und der Krebs-Selbsthilfe-/Patientenorganisation Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe (BPS). Die Studie und ihr Design fanden zudem die uneingeschränkte Unterstützung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). „Nach dieser intensiven Abstimmung zwischen allen Beteiligten im Vorfeld des Studienbeginns war davon auszugehen, dass PREFERE einen erfolgreichen Verlauf nehmen wird. Wohl wissend um die Herausforderungen, haben wir uns auf diese Allianz verlassen“, so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven (r.). Der Abbruch der Studie kam nicht überraschend, wurde doch schon seit ihrem Beginn auf grobe Fehler in der Studienkonzeption hingewiesen. Im Münchner Presseclub waren Anfang November Kritiker der PREFERE-Studie zusammengekommen,
um Bilanz zu ziehen und Konsequenzen zu fordern.
Autor: Franz-Günter Runkel