Montag, 31. Oktober 2016

Arzneimittel-Preisbremse gegen „Mondpreise“



Eine Zwangs-Preisbremse im ersten Jahr, Geheimniskrämerei bei den Erstattungsbeträgen und ein Preisdiktat bis 2022 – eine liberale gesetzliche Regelung der Arzneimittelpreisfindung sieht anders aus als der jetzt vorliegende Referentenentwurf des neuen Arzneimittelgesetzes, dessen Bestimmungen die AMNOG-Regelungen eher noch verschärfen. Von Seiten der DGU und an­derer Fachgesellschaften, aber natürlich auch von Industrieverbänden hagelt es Kritik am neuen Gesetz – wenn auch mit unterschiedlichen Argumenten.

Wenn der Umsatz eines Arzneimittels, dem der G-BA einen Zusatznutzen bescheinigt hat, in Zukunft im ersten Jahr nach Zulassung den Wert von 250 Millionen Euro übersteigt, gilt laut Referentenentwurf rückwirkend ab diesem Zeitpunkt der zwischen Pharmaunternehmen und GKV-Spitzenverband verhandelte Erstattungsbeitrag. Bislang hatten die Pharma­unternehmen im ersten Jahr nach Markteinführung während der Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) freie Hand in der Preisgestaltung. Dabei entstanden die angeblichen „Mondpreise“, die nun kräftig gestutzt werden sollen.

Eine interessante Ergänzung im Verhandlungsreigen zwischen Pharma­industrie und Krankenkassen soll es bei den Arzneimitteln geben, denen das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des G-BA keinen Zusatznutzen zusprechen will. Nach den AMNOG-Bestimmungen galten in diesem Fall bisher die Preise der preiswertesten Vergleichstherapie. In der Regel handelte es sich dabei um ­Generika, die häufig nur Cent-Beträge kosteten. Das Ergebnis: Oft nahm die Industrie solche Präparate vom Markt. Hier kann die Pharmabranche nun in Verhandlungen mit den Krankenkassen eintreten, um spezielle Preise auszuhandeln. Der Gesetz­geber will damit erreichen, dass alternative Therapien auch ohne zusätz­lichen Nutzen bereitstehen, um Compliance-Problemen von Pa­tienten besser begegnen zu können.

Punkt zwei des neuen Arzneigesetzes ist die Vertraulichkeit der Erstattungspreise. Niedrige Erstattungspreise auf dem deutschen Referenzmarkt haben aus Sicht der pharmazeutischen Industrie preismindernde und damit umsatzfeindliche Effekte im Ausland. Dem hofft man durch das Vertraulichkeitsgebot entgehen zu können. Offen ist aber noch, ob Ärzte und Apotheker über Erstattungsbeträge informiert werden oder nicht.

Verlängerung des ­Preis­morato­riums bis 2022?


Der dritte Punkt ärgert die Pharma­industrie vermutlich am meisten: Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht im Gesetzentwurf „kontraproduktive Signale für den Standort Deutschland, weil das Preismoratorium zum Stichtag 1. August 2009 nun bis 2022 verlängert werden soll“ – eigentlich sollte es im Jahr 2017 auslaufen. Die Kritik des BPI-Vorstandsvorsitzenden Dr. Martin Zentgraf fällt deutlich aus: „Der Pharmaindustrie nach fast zwei Jahren Dialog die Verlängerung des Preismoratoriums im Zuge des Gesetz­gebungsverfahrens unterzujubeln, ist nicht nur schlechter Umgang. Die faktische Institutionalisierung einer solchen Zwangsmaßnahme gefährdet den stark mittelständisch geprägten Industriezweig. [...] Wir appellieren an das Bundesministerium für Wirtschaft, sich gegen die gesetzlich angeordnete Planwirtschaft zu stellen.“

„Schon das faktische Einfrieren auf dem Preisstand vom 1.8.2009 für einen derart langen Zeitraum wird nicht für eine bessere und schon gar nicht für eine sichere Arzneimittelversorgung sorgen. Die Begründung, dass zur Verbesserung der Vergütung der Apotheken im Gegenzug Einsparungen bei der pharmazeutischen Industrie generiert werden müssen, ist abenteuerlich und wird die schon bestehende Empörung bei unseren Mitgliedern weiter verschärfen“, so Zentgraf weiter. Kontraproduktive Signale für den Standort Deutschland seien auch die Beschränkung der freien Preisbildung und eine Umsatzschwelle im ersten Jahr, die einen erheblichen zusätz­lichen Eingriff in einem ohnehin durchregulierten Markt darstelle.

vfa kritisiert Entwurf bei Fach-Anhörung des BMG

Inzwischen fand eine Fach-Anhörung des Bundesministeriums für Gesundheit zum Referentenentwurf in Berlin statt. Dabei erklärte Birgit Fischer (Foto), die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-­Unternehmen (vfa): „Dank intensiver Forschung und Entwicklung schaffen Pharmaunternehmen zunehmend bessere Behandlungs- und Präven­tionsmöglichkeiten für viele Krankheiten. Zwei Jahre lang haben deshalb drei Bundesministerien, die Verbände der pharmazeutischen Industrie, die IG BCE und Vertreter der Wissenschaft im Pharmadialog erarbeitet, wie diese Fortschritte besser als in der Vergangenheit den Patienten zugänglich gemacht werden können [...]. Im vorliegenden Gesetzentwurf wird diese ausdrückliche Absicht des Pharma­dialogs jedoch nicht eingelöst. Der Entwurf ist so unpräzise formuliert, dass er sogar gegenteilige Auswirkungen haben kann, nämlich eine Einschränkung des Zugangs zu neuen Therapien.“ Diesem Gesetzentwurf fehlt laut Fischer das „Bekenntnis zur Versorgung der Pa­tienten auf neuestem Forschungsstand und zum Ausbau des Gesundheitsstandorts“.

Fachgesellschaften sehen gravierende Mängel

In einer gemeinsamen Stellungnahme äußerten sich auch die DGU sowie weitere wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaften zu dem Entwurf. Nach ihrer Ansicht enthält das Papier zwar einige wichtige Aspekte, aber auch gravierende Mängel. Prof. Bernhard Wörmann (Foto), Medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämato-Onkologie (DGHO) und Hauptautor der Stellungnahme formuliert es so: „Grundsätzlich begrüßen wir, dass mit dem geplanten Informationssystem verfügbare Daten zu neuen Arzneimitteln für verordnende Ärztinnen und Ärzte transparenter gemacht werden sollen.“ Allerdings seien die aktuellen Ansätze seiner Ansicht nach nicht weitreichend genug. „Um die Arzneimittelversorgung von Patienten wirklich verbessern zu können, müssten neben den Ergebnissen der frühen Nutzenbewertung unbedingt auch aktuelle Erkenntnisse über die Langzeitwirkung von Medikamenten sowie über deren Nebenwirkungen enthalten sein.“ Zudem sollten die Wirksamkeit von Arzneimitteln in bestimmten Subgruppen, relevante Biomarker und die Empfehlungen aus Leitlinien aufgegriffen werden.

Kritisch beurteilen die Fachgesellschaften außerdem, dass wissenschaftlich-medizinische Erkenntnisse zu wenig berücksichtigt werden. Prof. Dirk Müller-Wieland, Mit-Autor der Stellungnahme, erklärt dazu: „Die zukünftige Möglichkeit, Medikamentenverordnungen einzuschränken, kann nicht nur auf einem Verfahren beruhen, das mit dem Ziel der Preisbildung gegründet wurde.“ Immerhin könnten damit Thera­piestandards beeinflusst werden, die Millionen von Patienten betreffen. „Hier ist die Begleitung durch die medizinische Wis­senschaft unerlässlich“, so Müller-­Wieland. Deren Expertise sei darüber hinaus auch notwendig, um Erkenntnisse zu Arzneimitteln auf Patientengruppen zu übertragen, für die keine Studienergebnisse vorliegen. Der G-BA habe bisher keine Methodik zur Festlegung von solchen Subgruppen etabliert, ergänzte Wörmann.

DGU-Kritik: Der Preis, nicht der Nutzen ­bestimmt die Therapie

Laut Referentenentwurf sollen Preisverhandlungen weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne potentielles Korrektiv allein zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmen geführt werden. „Wir empfehlen, dass die medizinische Plausibilität der Ergebnisse dieser geheimen Verhandlungen am Ende unter Einbindung der medizinischen Fachgesellschaften geprüft wird“, fordert Müller-Wieland. Gerade bei chronischen Krankheiten sei ein solches Vorgehen relevant. Schließlich würde die Versorgung dieser Patienten am Ende de facto wesentlich durch den Preis bestimmt, nicht durch den Zusatznutzen.

Positiv beurteilen die Mediziner hin­gegen, dass der Einheitliche Bewertungsmaßstab – also die Grundlage für die Abrechnung der vertragsärzt­lichen Leistungen im ambulanten Bereich – zukünftig zeitgleich angepasst werden soll, wenn absehbar ist, dass für den Einsatz eines neuen ­Medikaments zusätzlich begleitende Dia­gnostik, etwa in Form von Gentests, notwendig ist. „Hier bestand bisher eine Gesetzeslücke, die in den ver­gangenen Jahren beispielsweise in der Onkologie vermutlich häufig zu einer be­denk­lichen Unterversorgung von Patienten geführt hat“, erläutert Wörmann.

Dennoch fällt das Gesamturteil der Fachgesellschaften kritisch aus: „Die Nutzenbewertungen von Medikamenten und die Entwicklung von wissenschaftlich medizinischen Leitlinien sind zu wenig miteinander verbunden“, so DGU und andere Fachgesellschaften. Dies aber führe zu Verwirrungen bei Patienten, Ärzten und Apothekern – und behindere die Umsetzung von Innovationen.
(Autor: Franz-Günter Runkel / 31.10.2016)

Freitag, 21. Oktober 2016

Historische Zäsur in der PSA-Politik



Vorsicht ist geboten beim Umgang mit großen Vokabeln, aber heute kann man durchaus eine riskieren: In der ­Abrechnung der PSA-Be­stimmung gibt es eine historische Zäsur in einer zentralen berufspolitischen Frage der Urologie zu melden: Die individuelle Gesundheitsleistung PSA-Bestimmung wird in Baden-Württemberg für eine bedeutende Patientengruppe der AOK und der BKK Bosch zur regionalen GKV-Leistung. Dies ist Teil des Selektivvertrags Urologie, den BDU und AGNU im Ländle unter dem Medi-Dach mit den beiden Krankenkassen geschlossen haben. Zum ersten Mal in der uro­logischen ­Honorarpolitik der Bundes­republik wird die PSA-Bestimmung damit in einem ganzen Bundesland eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Freilich jubeln nicht alle Urologen in Baden-Württemberg, denn solche mit hoher IGeL-Quote in der Krebsvorsorge ärgern sich wohl schwarz, weil der GKV-Obulus deutlich niedriger ist als die Privateinnahme. Diese Urologen werden dem Facharztvertrag wohl auch die kalte Schulter zeigen, obwohl er sonst wirklich sehr attraktive Teile für die Urologen enthält, zum Beispiel bei Gesprächsleistungen oder beim Röntgen und der Zystoskopie.

Umfassende Änderungen deuteten sich auf dem gerade been­deten DGU-Kongress auch in der ökonomischen Struktur des Berufsverbands und im Verhältnis von BDU und DGU an. Im Gespräch mit UroForum beschrieb BDU-Geschäftsführer Dr. Roland Zielke die Gründung der BDU-Service-GmbH nach dem Sanakey-Muster des Spitzenverbands Fachärzte. In Zukunft könnte sich in der Gesellschaft all das abspielen, was einem gemeinnützigen Verein in diesem Land wirtschaftlich verwehrt ist. Parallel dazu wurde die Uro-Genossenschaft Bund der Urologen in Leipzig aufgelöst. 

Der Berufsverband pocht offenbar wieder stärker auf seine politische Führungsrolle im Tandem DGU-BDU und strebt eine Neuaus­richtung der jeweiligen Verbandsaufgaben an. Zum Beispiel soll die Zuständigkeit für das Politische, also Gesundheits- und Berufspolitik, neu zwischen den Verbänden aufgeteilt werden. Beide Seiten werden sich zusammenraufen müssen.

Eher zum Haare raufen ist das neue Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV.  Sicher kann man über die Berechtigung der Preishöhe bei neuen Arznei­mitteln streiten, aber der marktfeindliche Ansatz des Gesetzes wird eines wohl keinesfalls bewirken: die Verbesserung der Arzneimittelversorgung. 
Autor: Franz-Günter Runkel / 21.10.2016

Selektivvertrag Urologie in Baden-Württemberg macht PSA-Bestimmung zur GKV-Leistung



Rund 200 Urologen nehmen am Facharztvertrag Urologie in Baden-Württemberg teil, der am 4. Oktober in Kraft getreten ist. Der Selektivvertrag nach § 140a SGB V gilt für alle urologischen Patienten der AOK und der BKK Bosch. Der Urologe erhält für die PSA-Bestimmung eine Zusatzpauschale von zwei Euro sowie eine erhöhte Vorsorge-Pauschale von rund 20 Euro. Es handelt sich um den bundesweit ersten Fall, dass die PSA-Messung in bestimmten Fällen und abhängig von einer Vorsorgeberatung zur GKV-Leistung wird. ­Einige Urologen mit hohem IGeL-Vorsorge-Anteil sehen es kritisch.

Auf Seiten der Urologie sind der Berufsverband sowie die Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Urologen (AGNU) Vertragspartner. Als ärztliche Dachorganisation wirkte der MEDI-Verbund in Baden-Württemberg mit Werner Baumgärtner an der Spitze mit. Am 13. Juni begann für den Facharztvertrag Urologie in Baden-Württemberg das Unterschriftenverfahren. Der urologische Selektivvertrag ist in Baden-Württemberg die insgesamt fünfte Regelung seit 2010 nach den Verträgen für Kardiologie, Gastroenterologie, Psychiatrie-Neurologie-Psychotherapie und Orthopädie bzw. Chirurgie.

Quorum der Vertrags­teilnehmer ist übererfüllt

Die Historie der Selektivverträge begann mit den Hausarztverträgen nach § 73b SGB V sowie den Facharztver­trägen nach § 73c SGB V. Im Rahmen des Gesundheitsstrukturgesetzes hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bzw. der Bundestag die gesetz­liche Grundlage verändert. Seitdem werden diese Verträge nach § 140a SGB V im Zuge des Ge­sund­heitsstruk­tur­gesetzes abgeschlossen. Im Prinzip sind die rechtlichen Regelungen identisch, aber der Staat hat nach § 140a SGB V eine theoretisch größere steuernde Einflussmöglichkeit. Wie Dr. Markus Ksoll, BDU-Landesvorsitzender in Würt­temberg, im Gespräch mit UroForum erklärte, werden rund 200 Urologen am Vertrag teilnehmen. Damit ist das Quorum von 150 Teilnehmern erfüllt.

               Grunddaten Facharztvertrag

Vertragsbeginn: 4. Oktober 2016,
Laufzeit Kassen: fünf Jahre, ­optional zehn Jahre,
Kündigungsfrist Urologen:
drei Monate,
Grundpauschale: 25 Euro,
Überweisungszuschlag: 5 Euro,
Fallwert pro Patient: rund 73 Euro,
Zuschläge für: Psychosomatik, Röntgen, Abdomen-Sonografie,
Duplex Sonografie und rationale ­medikamentöse Therapie,
Vergleich KV-Fallwert: plus 30 %,
Gesamtvergütung ohne Obergrenze.

Markus Ksoll zu diesem Vertrag: „Es ist eine zukunftsweisende vertragliche Regelung, die sowohl den Patienten als auch den Urologen etwas Konkretes bringt. Insofern sind wir mit dem Facharztvertrag zufrieden. Viele Urologen haben noch Probleme mit der PSA-Regelung, weil die individuelle Gesundheitsleistung PSA-Bestimmung eine Art heilige Kuh der Urologie ist. Es geht aber nur um den PSA-Wert, sodass alle anderen individuellen Gesundheitsleistungen in der Vorsorge und anderswo auch in Zukunft uneingeschränkt möglich sein werden.“

Die PSA-Vertragsregelung orientiert sich an der S3-Leitlinie der Urologen. Die AOK zahlt nur, wenn die PSA-Bestimmung zu diesem Zeitpunkt von der S3-Leitlinie empfohlen wird, so Ksoll. In allen anderen Fällen muss der Patient wie gehabt die Wunschleistung PSA als Privatleistung bezahlen. „Wir Urologen erhalten dafür pro Patient eine Zusatzpauschale von zwei Euro. Die Vorsorge, die im GKV-Bereich mit 14,50 € honoriert wird, ergibt jetzt für AOK und BKK Bosch rund 20 Euro“, beziffert Markus Ksoll den Ertrag. Damit aber ist die PSA-Bestimmung laut S3-Leitlinie für AOK- und BKK-Bosch-Patienten eine regionale Kassenleistung geworden. Die GKV-Leistung PSA ist allerdings nur für Urologen mit durchschnittlicher IGeL-Quote bei der PSA-Bestimmung interessant

Die Vertragsverhandlungen zogen sich sehr in die Länge und standen mehr als einmal kurz vor dem Abbruch, weil das komplexe Geflecht aus Grundpauschalen und Einzelleistungen in der Urologie schwer verhandelbar ist. Daher beziffert MEDI die Vertragskosten bis zum Inkrafttreten auch auf etwa eine Million Euro. 

Problemfall Zystoskopie

Für die finanzielle Bewertung der Zystoskopie zum Beispiel ist eine Fülle von Hygienevorschriften zu beachten. „Es geht nicht nur um die ärztliche Leistung, sondern auch um die aufwändige Sterilisierung der Geräte. Die männliche Zystoskopie war im KV-System mit rund 45 Euro honoriert. Im Selektivvertrag ist sie jetzt mit 90 Euro bewertet, also verdoppelt. Die weibliche Zystoskopie kostete im KV-System 25 Euro und erbringt jetzt fast die doppelte Summe: 45 Euro. Bei der Prostata-Biopsie sieht es ähnlich aus“, beschreibt Markus Ksoll die neue Regelung. 

Der AOK kam es auf die Ausweitung der Gesprächsleistungen bei schweren Erkrankungen an. „Jetzt gibt es eine Staffelungsregelung. Es gibt sogenannte Beratungsgespräche, die einen Preiswert von 15 Euro haben und die mit 17 Euro pro Zehn-Minuten-Einheit vergütet werden. Je nach Schwere der Erkrankung kann ich eine bestimmte Anzahl von Gesprächseinheiten pro Jahr abrechnen. Bei einer bösartigen Erkrankung sind es zum Beispiel sechs Gespräche zwischen 40 und 60 Minuten im Jahr. Bei Metastasierung, also in einer palliativen Situation, sind zusätzlich drei Gespräche abrechenbar. Unter dem Strich macht das neun Gespräche pro Jahr. Eine BPH erlaubt zwei Beratungsgespräche zu je zehn Minuten jährlich. In der Sache bedeutet es, dass man sich für Krebspatienten mehr Zeit nehmen kann und nicht nur Apparatemedizin betreibt“, erklärt der BDU-Landesvorsitzende.

Natürlich sei es eine leistungsbezo­gene Honorierung, die von der Zusatzweiterbildung und der Erbringung der ambulanten Chemotherapie in der Praxis abhängig sei. Noch einen Punkt fügt Ksoll an: Die Pauschalen gemäß Onkologievereinbarung werden als Vorhaltepauschalen weiter vergütet und um eine Pauschale für die orale medikamentöse Tumortherapie in Höhe von 25 Euro erweitert.

Katheterwechsel im ­Altenheim plus Hausbesuch

Für den Katheterwechsel im Altenheim steht eine Katheterwechselpauschale von 35 Euro pro Patient im Vertrag. Außerdem gibt es eine zusätzliche Pauschale für Hausbesuche in Höhe von 15 Euro pro Patient. Dabei kann jeder Besuch einzeln abgerechnet werden. Wenn ein Urologe im Caritas-Heim zehn Katheter wechselt, erhält er also 500 Euro dafür.Ein zweites Thema in diesem Zusammenhang ist die sogenannte „Urologische EFA“, also eine fachlich besonders qualifizierte Arzthelferin. Die beiden Krankenkassen wollen beim ersten Beratungsgespräch im Jahr einen Zuschlag von fünf Euro bezahlen. Außerdem soll es einen Grundpauschalen-Zuschlag von fünf Euro geben. „Dieses Thema wird derzeit noch mit den Kassen verhandelt. Ich bin der Auffassung, dass eine Mitarbeiterin, die zehn Jahre in einer urologischen Praxis arbeitet, kein Zertifikat und kein Curriculum benötigt. Sie beherrscht den Katheterwechsel. Wenn eine solche EFA einen Hausbesuch übernimmt, dann kann der Hausbesuch unter der Supervision eines Urologen abgerechnet werden“, sagt Ksoll. Derzeit sei die Regelung aber noch nicht in Kraft, sodass der persönliche Hausbesuch des Urologen noch Voraussetzung für die Abrechnung ist. Die zweite und dritte ESWL bei komplexen Harnleitersteinen war bislang ein Problem und schwer abzurechnen. Jetzt sind laut Ksoll im Krankheitsfall für beide Seiten insgesamt sechs Behandlungen pro Urolithiasis möglich.

Splittingregel für konventionelles und digitales Röntgen

Für die Röntgendiagnostik im Sinne der Teilgebietsradiologie sieht der Vertrag eine interessante Splittingregelung vor: Das konventionelle Röntgen mit in der Regel älteren Geräten wird nur noch mit 1,50 Euro pro Fall pauschal vergütet,  während das moderne digitale Röntgen 2,50 Euro erbringt. Ksolls Standpunkt dazu: „Immerhin verfügen noch 40 % aller Urologen über ein eigenes Röntgengerät und bieten die Teilradiologie an. Kein Urologe hätte das unterschrieben, wenn nicht die Möglichkeit bestanden hätte, den Betrieb eines solchen Gerätes über eine Pauschale zu finanzieren. Das Röntgen ist ein Serviceangebot und die jetzige Honorarregelung wird sicher nicht dazu führen, dass wieder mehr Urologen neue Röntgengeräte kaufen“. Trotzdem setzt der Selektivvertrag auch in der Medizintechnik innovative Reize, die Praxisinvestitionen zumindest erwägenswert machen. 
Autor: Franz-Günter Runkel / 21.10.2016