Fokale Therapieansätze werden vor allem beim
Niedrigrisiko-Prostatakarzinom diskutiert. Lange Zeit limitierten fehlende
multizentrische und prospektive Studien sowie die viel zu ungenaue Tumordiagnostik
in der Prostata die Ergebnisse der fokalen Therapie. Die Entwicklung des
multiparametrischen MRT sowie die technischen Verbesserungen haben in den
vergangenen Jahren dazu geführt, dass die fokale Therapie aufgeholt hat. Heute
steht sie auf dem Sprung zur etablierten therapeutischen Alternative für
Prostatakarzinome mit niedrigem und teilweise intermediärem Risiko.
Im Spannungsfeld der
therapeutischen Methoden für das Prostatakarzinom sucht die fokale Therapie
ihren Platz zwischen der Ganzdrüsentherapie und der Active Surveillance (1).
Positiv könnte sich auswirken, dass sich der therapeutische Fokus für das
lokalisierte Prostatakarzinom in den nächsten Jahren von der vollständigen
Eradikation des Tumors sowie entsprechenden Nebenwirkungen hin zur „effektiven
lokalen Tumorkontrolle mit möglichst maximalem Erhalt der Lebensqualität“
verschieben wird (1). Die fokale Therapie hat hier ihren möglichen Platz, weil
sie vermeintlich schonender als die radikalen Formen der Behandlung und
radikaler als das Nichtstun und Beobachten ist. Bis 2013 gab es nur wenige
unizentrische Studien mit geringer Fallzahl – zu wenig, um sich
wissenschaftlich behaupten zu können (2). Multizentrische Studien und
Langzeitdaten fehlten gänzlich. Erst in jüngster Zeit beginnt sich dies zu
wandeln.
Diagnostik und Indikation
Wie Dr. Stefan Machtens (Foto unten), Chefarzt des Marien-Krankenhauses
in Bergisch Gladbach und stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises
Fokale und Mikrotherapie der Akademie der DGU, im Gespräch erläuterte, sind „theoretisch 40 % unserer Prostatakarzinompatienten für eine
fokale Therapie geeignet. Praktisch
werden aber aufgrund der Studienlage
nur 10 % fokal therapiert“.
Die fokale Therapie könne insgesamt (noch) nicht als
etablierte Therapieform angesehen werden, weil es an Studien fehle. „Nach wie
vor fällt die Identifikation der richtigen Patienten schwer
: Welche Diagnostik müssen wir durchführen, um
einen Patienten sicher für eine fokale Therapie auszuwählen? Der zweite Punkt
ist: Können wir einen Gleason-7-Patienten fokal behandeln? Mit der fokalen
Therapie wollen wir keine Alternative zur Active Surveillance aufbauen. Das
Ziel ist vielmehr, eine Alternative zu anderen definitiven Therapieformen zu
etablieren. Der ideale Patient für die fokale Therapie wäre ein Kandidat für
eine andere Ganzdrüsentherapie. Die wahrscheinlich interessanteste klinische
Indikation der fokalen Therapie besteht derzeit im intermediären Risiko. Dort
besteht dann auch die Frage, ob der Gleason-7b-Patient (4+3) geeignet ist“, so
Machtens.
Der Gleason-7a-Patient mit einem PSA-Wert bis 15 ng/ml
könne durchaus ein Kandidat für die fokale Therapie sein. Beim 7b-Patienten
schieden sich dann schon die Geister. „Im 2- und 3-Bereich nach
WHO-Klassifikation sollte die fokale Therapie ihren wahrscheinlichen Platz
haben. Das Hauptproblem bei der Prostata besteht darin, die relevanten
Tumorherde präzise zu erkennen. Im Kern ist es das Problem der Indexläsion.
Dahinter verbirgt sich die Frage, welche Läsion eines Prostatakarzinoms
unbedingt behandelt werden muss, um eine spätere Metastasierung auszuschließen.
Die fokale Therapie hat stark mit einem Diagnostikproblem zu kämpfen, dass
sich aber in jüngster Zeit zunehmend auflöst“, unterstreicht Machtens.
Hochenergetischer fokussierter Ultraschall (HIFU)
Bei einem HIFU wird
Ultraschall in hoher Intensität gebündelt und mithilfe eines rektalen
Ultraschallkopfes auf das zuvor identifizierte Tumorareal konzentriert. Der
Effekt wird als Kombination aus thermischen und mechanischen Effekten erklärt,
und im Zielgebiet entsteht die charakteristische zigarrenförmige
Koagulationsnekrose (2). Durch die Entwicklung des Focal-One-Systems haben sich
die technischen Möglichkeiten der HIFU deutlich verbessert (3). Nach Jahren der
Studienflaute rückt seit 2014 die Hemiablation, also die Halbseitenbehandlung
der Prostata mit HIFU, in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Es
handelt sich um eine prospektive, multizentrische Phase II-Studie zur fokalen
Therapie (Hemiablation) der Prostata durch HIFU bei Patienten mit Eignung zur
Active Surveillance (4).
Im Rahmen einer
prospektiven Phase II-Studie der AUO soll z. B. die Machbarkeit der fokalen
Therapie (Hemiablation) der Prostata mittels HIFU geprüft werden. Neben dem primären Endpunkt
der Einleitung einer sekundären Therapie nach zwei Jahren sollen
Nebenwirkungen, Lebensqualität, psychische Belastung und Sicherheit als
sekundäre Endpunkte untersucht werden. Die Diagnostik des lokalen
Tumorstadiums mittels leitliniengerechter Biopsie der Prostata wird durch
Einsatz des multiparametrischen MRTs (mpMRT) unter standardisierter Befundung
mittels PI-RADS-Score erweitert. Inzwischen wurde die Rekrutierung auf 200
Patienten erhöht und bis Ende 2019 verlängert.
FT-Experte Machtens bleibt aber skeptisch: „Was die
HIFU-Therapie angeht, ist es bislang nicht gelungen, sie für die gesamte Drüse
zur etablierten, leitlinienkonformen Therapie zu machen. Darauf beruht auch
meine Skepsis hinsichtlich einer fokalen HIFU-Therapie“, so der Urologe.
Vascular Targeted Therapy
(VTP)
Die gefäßgestützte fokale Therapie arbeitet mit der
photoaktiven Substanz TOOKAD Soluble (5). Durch Laseraktivierung setzt die
Substanz hydroxile Radikale frei, die zu Gefäßwandnekrosen und einem
lokalisierten Gewebeuntergang führen. In Europa und Südamerika sind zwei
multizentrische randomisierte und kontrollierte Phase-III-Studien im Gang
„Wir haben vier
VTP-Patienten in die TOOKAD-Studie eingebracht, waren aber am Ende von den
Ergebnissen eher enttäuscht. Die Wirksamkeit der TOOKAD-Methode beruht auf der
Kombination von Licht und einer Substanz im Gewebe, die dann zu einer starken
Nekrose führt. Der Effekt der TOOKAD-Studie war auch nur deshalb so hoch, weil
der Active Surveillance-Arm der Studie eine so starke Progression gezeigt hat.
Keiner hat so genau verstanden, warum dies so war. Wenn vergleichbare
Ergebnisse wie bei der PRIAS-Studie eingetreten wären, wäre dieser Effekt sehr
viel niedriger ausgefallen. Deshalb bin ich von der Wirksamkeit von TOOKAD
nicht überzeugt. Hinzu kommt, dass VTP auch technisch extrem anspruchsvoll ist,
weil Sicherheitsabstände zu den Organen genau eingehalten werden müssen“, so
Machtens.
Fokale LDR-Brachytherapie
Bei der fokalen
LDR-Brachytherapie werden mit Hilfe eines Templates radioaktive Seeds in der
Tumorzielregion der Prostata platziert. Im Hinblick auf die Aktivität und die
Endringtiefe zeigte Jod-125 die besten Eigenschaften (2). Machtens hält viel
von der LDR-Brachytherapie: „Ich habe bei der Dutch Cancer Society zusammen mit
Bradley Pieters aus Amsterdam ein europäisches Studienkonzept für die fokale
Brachytherapie eingereicht. Wenn man über fokale Brachytherapie redet, dann
handelt es sich meist um die Low-dose-Brachytherapie mit permanenten Seeds. Im
Hinblick auf die Ganzdrüsen-Behandlung ist die fokale Brachytherapie absolut
leitlinienkonform, was ein starkes Argument für die fokale Brachytherapie ist.“
Parallel gebe es auch Untersuchungen zur HDR-Brachytherapie mit fokaler
Dosiseskalation, die über Therapieerfolge bei moderaten Nebenwirkungen
berichteten (6). Weitere Verfahren sind die Argon-getriggerte Kryotherapie
sowie die Irreversible Elektroporation, die mithilfe von zwei bis sechs
Elektroden ein gepulstes elektrisches Feld aufbaut.
Seit 2014 gibt es positive Entwicklungen bei der fokalen
Therapie (1):
- Die Entwicklung des
multiparametrischen MRT,
- Die präzisere Erfassung
der Multifokalität des PCa sowie bessere Identifikation der Indexläsion,
- Präzisere Definitionen
und bessere Therapietechniken (z. B. HIFU) und
- Bessere Studienqualität
durch prospektiv multizentrische Studien.
Das multiparametrische MRT
„Das mpMRT gewinnt in
der Identifikation der Indexläsion zunehmend an Bedeutung. Trotzdem ist die
transperineale Template-Biopsie immer
noch das Eingangskriterium der meisten Studien. In jedem Fall sollte die
Zwölf-Stanzen-Biopsie durch ein mpMRT überprüft werden. Falls dann Diskrepanzen
auftreten, muss eine transperineale, Template-gestützte Biopsie für Klarheit
sorgen, um möglichst alle Tumorherde zu identifizieren“, so Machtens. Die
mp-MRT-Befunde erreichten mithilfe der gezielten Biopsien und der
pathologischen Auswertung eine hohe diagnostische Treffsicherheit. Die
prädiktive Wahrscheinlichkeit für die Entdeckung klinisch signifikanter Tumoren
konnte so auf 90 % gesteigert werden. Die früher fehlende Standardisierung der
Befunde gehöre seit PI-RADS (Prostate Imaging, Reporting and Data System) der
Vergangenheit an. Allerdings müssen die Erfahrungen bei der Befundung auch
unter Radiologen noch ausgebaut werden, um Abweichungen in der Interpretation
der Ergebnisse weiter zu verringern.
Der Arbeitskreis Fokale und Mikrotherapie der Akademie
Der
Arbeitskreis Fokale und Mikrotherapie der Akademie hat einen interdisziplinären
Ansatz und schließt Radiologen, Pathologen, einen Nuklearmediziner sowie
Urologen ein. „Das ist ein Novum. Die Ultraschalldiagnostik ist aus Sicht
unseres Arbeitskreises nicht ausreichend, , wenn es um die Identifikation der
Indexläsionen geht. Hier entsteht ein Konflikt, weil die Urologie seit
Jahrzehnten sehr stark auf rein sonografische Verfahren gesetzt hat. Dahinter
steht der berufspolitische Ansatz, die Bildgebung in urologischer Hand zu
behalten. Leider ist das mpMRT nun einmal die Bildgebung der Zukunft. Deshalb
müssen wir uns dafür öffnen. Hier sind wir natürlich sehr vom Radiologen
abhängig“, so Machtens. Um Urologen die Interpretation der mpMRT-Bilder zu
lehren, plant der Arbeitskreis Fortbildungen.
Autor: Franz-Günter Runkel
Literatur
- M. Schostak et al.,
Krebskontrolle im Fokus. Akt. Urol. 2015; 46:39–44.
- D. Baumunk et al., Fokale
Therapie des Prostatakarzinoms, 2013; 52: 549–556.
- J.H. Witt, Fokale
Behandlung des Prostatakarzinoms, urologen.info, April 2014: 40–41.
- H. Rexer, M. Graefen, R.
Ganzer, Organgruppe Prostatakarzinom der Arbeitsgemeinschaft Urologische
Onkologie (AUO) in der DKG, HEMI, 2017, AP 68/11.
- A. Roosen et al., Urologe
2014, 53:1040–1045.
- J. Cordes et al., Urologe
2017, 56: 157–166.