Dienstag, 14. Februar 2017

Rot-Rot-Grün-Option erschreckt die Urologen


In diesen Wochen beginnt der Wahlkampf zur Bundestagswahl im Herbst. Rechnerisch ist am Wahlabend entweder eine CDU- oder eine SPD-geführte Regierungskoalition als Sieger zu erwarten. 

Wahrscheinlich würde eine SPD-geführte Koalition das Modell einer einheitlichen Bürgerversicherung umsetzen. Die Überlebenschancen der privaten Krankenversicherung und auch der privatmedizinischen Wahlleistungen wären in diesem Fall eher klein. Kein Wunder, dass viele niedergelassenen Urologen dieser möglichen Linkskoalition im Bund mit großer Sorge entgegenblicken.

„Chancen für alle“ verspricht die SPD in einem Impulspapier rund um die Kernpunkte Bürgerversicherung, Telemedizin, mehr Steuergelder für die Kliniken und Stärkung der Allgemeinmedizin. Ende Mai will der SPD-Bundesparteitag daraus sein Bundestagswahl­programm beschließen. Ihre Ziele in der Gesundheitspolitik beschreibt die SPD so: „Die Trennung von privat und gesetzlich Versicherten und die empfundenen Un­terschiede in der Versorgung, z. B. bei den Wartezeiten auf Arzttermine, wird als ungerecht empfunden. Die SPD wird die Zwei-Klassen-Medizin beenden. Wir werden erstmals alle gleich versichern – in der paritätischen Bürger­versicherung. Bisher Privatversicherte kön­­nen wählen, ob sie in die Bürgerversicherung wechseln möchten. Der Beitrag soll wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Versicherten gezahlt werden.“

SPD: für alle Patienten eine „einheitliche Honorarordnung“  

Ein Grundfehler der bisherigen Zwei-Klassen-Medizin besteht nach Ansicht der Sozialdemokratie darin, dass Privatpatienten durch eine höhere Vergütung bevorzugt werden. Deshalb werde die SPD mit der Bürgerversicherung eine „neue, einheitliche Honorarordnung“ für Ärzte“ einführen. Die SPD will zusätzlich einen „Marktwächter Gesundheit“ positionieren und startet damit einen neuen Angriff auf ihren Lieblingsfeind: die individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). „Die Flut kostenpflichtiger, medizinisch aber oft überflüssiger IGeL-Leistungen wollen wir eindämmen“, heißt es in einem Programm-Entwurf zur Bundestagswahl. Selbstzahlerleistungen sind für die SPD schon lange ein Ärgernis. Der „Marktwächter Gesundheit“ soll eine Mischung aus digitalem Beschwerdeportal und Informationstool werden. Individuelle Gesundheitsleistungen sollen damit engmaschig überwacht werden, wie die FAZ schreibt. Der Zeitung zufolge sehen die SPD-Pläne vor, dass künftig vereinheitlichte Informa­tionsaushänge in den Praxen Pflicht werden, auf denen dargelegt wird, „warum IGeL-Leistungen nicht von den Krankenkassen bezahlt werden“. Jeder Facharzt wird nach dem Willen der SPD verpflichtet sein, zwischen Kassensprechstunden und Privatsprechstunden mit Wahlleistungen zu unterscheiden. Eine Mischung wäre dann gesetzlich untersagt. Der „Marktwächter Gesundheit“ soll ein Frühwarnnetzwerk sein, das in der Art eines Vergleichs­portals im Internet funktionieren soll.

Die CDU verfolgt eine Gesundheitspolitik der Regulierung

Von einer CDU-geführten Gesundheitspolitik werden auf der anderen Seite kaum radikale Systemveränderungen erwartet. Die Politik des Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe war in der ablaufenden Le­gis­laturperio­de eher auf die stationäre Versorgung (Krankenhausstruktur­gesetz), die Pfle­ge (Pflegestärkungsgesetz) sowie die Kostendämpfung im Arzneimittelsektor (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz) konzentriert. In der am­bulanten Facharztmedizin ging es vor allem um Regulierung und Systemop­timierung, weniger um Veränderung.

Das Versorgungsstärkungsgesetz von 2015 zum Beispiel regulierte die ­Bedarfsplanung neu, schuf Anreize für strukturschwache Regionen und schrieb Termin-Servicestellen für die Arzttermingarantie vor. Mit dem E-Health-Gesetz wird eine Telematik­infrastruktur eingerichtet, Video-Konsultationen und elektronische Patientenakte werden festgeschrieben. Gleichzeitig erfolgt eine detaillierte Regulierung der digitalen Medizin. Das Anti­korruptionsgesetz erhebt die Bestechung und Bestechlichkeit von Ärzten, Psychotherapeuten und allen Heil­beruflern zu Straftatbeständen. Wer aufgrund des neuen § 299a SGB V angeklagt wird, dem drohen bis zu fünf Jahre Haft und Geldstrafen.

Der BDU vermisst in Gröhes Politik den Facharztbezug

Eigentlich stehen die niedergelassenen Fachärzte vor einer Wahl ohne Optionen. Für Dr. Holger Uhthoff, erster Vizepräsident des BDU, zum Beispiel ist die Politik Hermann Gröhes keine wirkliche Gesundheitspolitik für Fachärzte. „Er hat einen Wust von Gesetzen auf den Weg gebracht, aber die niedergelassenen Ärzte spielten da eigentlich überhaupt keine Rolle. Vorhaben wie das E-Health Gesetz, das Patientenrechtegesetz oder das Antikorrup­tionsgesetz dienen eher dazu, uns Fachärzten die Arbeit weiter zu verkomplizieren. Wir werden uns in nächster Zeit sehr intensiv mit den Wahlprogrammen der Parteien befassen und diese auch zum Thema der Hauptausschusssitzung im Frühjahr machen“, so Uhthoff.

Im Bild: Dr. Holger Uhthoff, erster BDU-Vizepräsident / Foto: privat
Neben der Gröheschen Kontrollpolitik kritisiert Uhthoff die Zwei-Klassen-Medizin der SPD-Politik von Karl Lauterbach. „Wir wissen, was wir von der Bürgerversicherung zu halten haben. Es ist ein frommer Wunsch anzunehmen, dass die Zeiten der Zwei-Klassen-­Medizin mit der Bürgerversicherung zu Ende geht. Was passiert denn, wenn sie tatsächlich eingeführt wird? Es wird die Gruppe der Versicherten geben, die in der Bürgerversicherung Mitglieder sind. Dann wird es eine zweite Gruppe geben, die zwar bürgerpflichtversichert ist, die aber trotzdem in der Lage ist, sich pri-vatmedizinische Leistungen zu leisten. Zusätzliche Gesundheitsleistungen wird diese zweite Pa­tientengruppe einfach einkaufen. Damit zementieren wir eine Zwei-Klassen-Medizin“, er­läutert der BDU-Vizeprä­sident.

Ein Verbot, Leistungen außerhalb der Bürgerversicherung einzukaufen, widerspreche dem Grundgesetz und werde nicht möglich sein. „Wenn ich einem gesetzlich Versicherten individuelle Gesundheitsleistungen anbiete, verschweige ich ihm nicht bewusst die Leistungen, die medizinisch möglich und sinnvoll sind. Ich bin nicht der Verwalter der Krankenkasse, sondern der Partner des Patienten. Als Arzt gibt der Patient mir Vertrauensvorschuss, den ich dann rechtfertigen muss. Für die medizinische Beratung ist nachrangig, was Geld kostet und was kein Geld kostet. Der Grundgedanke ist, den Patienten medizinisch möglichst gut zu behandeln. Die Kostenfrage ist dann nachrangig. Wahlleistungen dienen der guten Betreuung des Pa­tienten und nicht primär dem Bankkonto des Arztes.“

„Marktwächter Gesundheit“ der SPD empört BDU-Vize

Besonders empört reagiert Uhthoff auf den „Marktwächter Gesundheit“ der SPD. Er sei als Mittel gegen systematische Wettbewerbsverstöße sowie andere Benachteiligungen von Verbrauchern gedacht und nur über systematische Marktbeobachtung glaube die SPD offenbar, solche Wettbewerbsverstöße ahnden zu können. „Lauterbach solle dann stattdessen besser die berühmten `Nägel mit Köpfen´ machen und eine Positivliste der von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen Leistungen entwerfen. Ob die Politik diesen transparenten Leistungskatalog allerdings wünscht, darf bezweifelt werden“,
so Uhthoff.

Da die SPD eine einheitliche Gebührenordnung für die Bürgerversicherung möchte, wird die gerade von den Ärzten entwickelte neue GOÄ ebenfalls eine Rolle im Wahlkampf spielen, wie auch Uhthoff glaubt: „Wir brauchen dringend eine neue GOÄ, weil die alte Gebührenordnung restlos veraltet ist. Nach dem kürzlichen Neustart der Verhandlungen und der anstehenden kompletten Überarbeitung des Entwurfs ist eine neue GOÄ für den kommenden Ärztetag 2017 nicht zu er­warten. Selbst wenn ein Entwurf vor­läge“, so Uhthoff, „glaube ich nicht, dass Minister Gröhe dieses Thema vor der Wahl noch einmal anfassen wird. Allerdings bietet uns dieser Zeitgewinn nun auch die Möglichkeit, die GOÄ gründlich und fundiert zu strukturieren und zu beschließen. Wir hoffen natürlich, dass nach der Bundestagswahl eine Par­teien­konstellation an die Regierung kommt, die einen Sinn in einer neuen privatärztlichen Gebührenordnung sieht. Zweifelsohne wird eine solche GOÄ gebraucht.“

Schulze befürchtet erhebliche  politische Umwälzungen

Im Bild: Dr. Matthias Schulze, zweiter BDU-Vizepräsident / Foto: privat
Dr. Matthias Schulze, zweiter Vizepräsident des BDU, hält „erhebliche politische Umwälzungen“ nach der Bundestagswahl für möglich. „Die Bürgerversicherung steht im Raum, aber auch die Frage einer neuen GOÄ wird sich dann entscheiden. Bundespolitisch herrscht ja unter Bundeskanzlerin Angela Merkel und der großen Koali­tion eine entpolitisierte Schockstarre. Mein Ideal ist eine freiheitliche Gesundheitspo­litik unter pluralistischen Vorzeichen. Das KV-System müsste reformiert werden. Selbst der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach wird nicht in der Lage sein, die privatmedizinischen Wunschleistungen in den urologischen Praxen einfach so abzuschaffen. Alles andere wäre ein Weg außerhalb un­serer demokratischen Grundordnung“, meint Schulze. Ein weite­-res Wahl­kampfthema könnte die ambu­lante spezial­fach­­-ärztli­che Versorgung (ASV) sein. Die Zeichen mehren sich, dass der G-BA 2017 ein ASV-Modul Prostata­karzinom auf­le­gen wird. Schulze ist aber skeptisch, ob das „Bürokratie-Monster ASV“ Verbesserungen bringen wird.    
(Autor: Franz-Günter Runkel)

Samstag, 11. Februar 2017

Dr. Thomas Speck - ein Vermittler zwischen Klinik und Niederlassung



Zum ersten Mal in der Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Urologie hat ein Niedergelassener Sitz und Stimme im Vorstand der Fachgesellschaft inne. Nach einer Satzungsänderung wurde der Berliner Urologe Dr. Thomas Speck im September 2016 für drei Jahre gewählt. In meiner Funktion als Chefredakteur von UroForum sprach ich mit ihm über seine neue Rolle und die Ziele seiner Arbeit im DGU-Vorstand.


Herr Dr. Speck, wie haben Sie Ihren Start im Vorstand der DGU erlebt?
Speck: In der DGU-Mitgliederversammlung 2015 wurde der Vorschlag gemacht, den Vorstand um einen niedergelassenen Urologen oder eine Urologin zu erweitern. Der DGU-Vorstand hat diesen Vorschlag aufgenommen und schon ein Jahr später 2016 in Leipzig um­gesetzt. Das war ein sehr wichtiges Signal. Allerdings mussten die Mitglieder dazu die Satzung ändern, denn die alte Satzung sah kein solches Vorstandsamt für einen Niedergelassenen vor. Die DGU-Mitgliederversammlung hat dieser Satzungsänderung bei wenigen Gegenstimmen zugestimmt. Das Ziel besteht darin, die Belange der niedergelassenen Uro­logen stärker in die Vorstandsarbeit zu integrieren. So wurde ich von Beginn an wertschätzend und achtungsvoll aufgenommen.

Wie schätzen Sie die noch immer ­vorhandene Mauer zwischen den beiden Versorgungsstrukturen ein?
Speck: Es ist sehr wichtig, die Schranken zwischen Klinik und Niederlassung einzureißen. In Berlin haben wir sehr gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit gemacht. Anderenorts sind diese Schranken vielleicht höher. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Deshalb ist es wichtig, die scheinbare Trennung des „Kliniker-Verbands DGU“ und des „Niedergelassenen-Verbands BDU“ zu überwinden. Sie spiegelt nicht mehr die berufliche Realität wider. Immerhin sind mittlerweile auch in der DGU 50 % niedergelassene Mitglieder organisiert. Auf der anderen Seite gibt es im Berufsverband angestellte Ärzte in Praxen sowie Klinikärzte, die sich durch den Berufsverband durchaus vertreten sehen. Insofern sind die Grenzen ohnehin verwischt. Das Entscheidende dabei ist die gemeinsame Sprache, die den Interessensverbänden der deutschen Urologen Stimme und Respekt verleiht. Wir werden die Aufgaben in Gegenwart und Zukunft nicht lösen, ohne eine solche eindeutige und gemeinsame Sprache zu finden.


Warum harmonieren Klinik und Niederlassung in Berlin besser?
Speck: In Berlin gibt es eine gute Tradition der Zusammenarbeit zwischen stationärer und ambulanter Urologie. Als ich 2008 Präsident der Berliner Urologischen Gesellschaft wurde, war ein Niedergelassener in diesem Amt ein Novum. Wir führten regelmäßige Konsultationstreffen ein („Berliner Elefantenrunde“ – bestehend aus allen Berliner Chefärzten, dem BDU-Landesvorsitzenden, dem urologischen Ärztekammermitglied und weiteren urologischen Interessenvertretungen, auf Einladung des BUG-Präsidenten, Anm. d. Red.) und  haben es grundsätzlich erreicht, Probleme gemeinsam zu besprechen und auf eine kameradschaftliche Weise zu lösen. Alle ziehen in Berlin an einem Strang. Das gilt vor allem für berufspolitische Belange und die Vertretung der Fachgruppe in Landespolitik und Ärztekammer.

Welche Werte sind Ihnen in diesem Zusammenhang besonders wichtig?
Speck: Gegenseitige Achtung und Vertrauen. Ohne diese Werte funktioniert die intersektorale Kooperation innerhalb der Fachgruppe nicht. Es ist unser gemeinsamer Auftrag, die Pa­tienten urologisch zu versorgen. Da muss es Hand in Hand gehen und jeder hat seine Kernkompetenzen und Aufgaben. Immer dann, wenn diese Verzahnung fachlich und menschlich gut funktioniert, werden wir die uns anvertrauten Patienten in hoher Qualität betreuen.


Welches Thema brennt Ihnen ­besonders auf den Nägeln?
Speck: Ich möchte gerne die Wissenschaft aus der DGU in die Niederlassung tragen und die Teilhabe der Niederlassung an der Wissenschaft verstärken. Ein großes Thema ist dabei die Versorgungsforschung. Die ambulanten Versorgungsdaten in der Urologie werden viel zu wenig genutzt. Dazu braucht es vernünftige Strukturen und sehr viel Engagement. Ein gutes Beispiel für eine von niedergelassenen Urologen zusammen mit klinischen Radiologen in Berlin angestoßene Versorgungsstudie ist ProKOMB zur Bewertung des multiparametrischen MRT in der primären Prostatakarzinom-dia­gnostik. Seit Anfang Oktober wurden bereits mehr als 220 von insgesamt 600 Pa­tienten für diese Studie rekrutiert.


Wie sieht ihre Rolle in der DGU-­Vorstandsarbeit konkret aus?
Speck: Das bislang durch Prof. Jan Roigas vertretene DGU-Ressort für Wissenschaft und Praxis wird um meine Person erweitert. Dabei geht es weniger um eine Aufteilung in die beiden Bereiche Wissenschaft und Praxis, vielmehr kümmern sich zukünftig zwei Urologen  gemeinsam um dieses Ressort. Eine  weitaus bessere Verzahnung von stationärer und ambulanter Urologie wird auf diese Weise im DGU-Vorstand möglich. Die Anliegen der Niederlassung können dadurch harmonisch in die Arbeit des DGU-Vorstands eingebunden werden – und ebenso wird es gelingen, die DGU für uns Niedergelassene attraktiver zu machen.

Welche Felder sind Ihnen bei der ­Zusammenarbeit zwischen den urologischen Verbänden besonders wichtig?
Speck: Viel Aufmerksamkeit werden die neue GOÄ und die Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit erfordern. Ich selbst verstehe mich in diesen Fragen als Vermittler. Die Zusammenarbeit zwischen DGU und BDU war in letzter Zeit nicht immer störungsfrei.  Aber ich vertraue darauf, dass sich die Kooperation in die richtige Richtung bewegen wird und dass die Gesellschaften re­spektvoll und inhaltlich geeint mit­einander umgehen. So werden wir auch nach außen als eine einheitliche, starke und vor allem verlässliche Fachgruppe wahrgenommen.


Sehen Sie sich als der BDU-Vertreter im DGU-Vorstand?
Speck: Nein, sicherlich nicht. Ich war ja viele Jahre lang Vorstand im Ber­liner BDU-Landesverband und kenne Dr. Axel Schroeder seit Langem. Ich habe sowohl die Stimme des BDU-Präsidiums als auch das Vertrauen des Vorstands der DGU. Daraus erwächst eine Chance zur Verzahnung  zwischen den Verbänden. Mein Vorstandsamt ersetzt jedoch in keiner Weise den Berufsverband und auch nicht dessen Mandatsträger.


Wo werden die Schwerpunkte Ihrer DGU-Arbeit liegen?
Speck: Ein Schwerpunkt ist die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Das ist ein Thema, das mehr auf die Interessen der Niedergelassenen zugeschnitten ist. Dort steht 2017 das Modul der urologischen Tumoren zur Bearbeitung an.

Als Berliner Urologe werden Ihnen sicher die Fragen der zukünftigen Weiterbildungsordnung am Herzen liegen?
Speck: Ganz sicher sogar! Dabei interessieren mich natürlich vorrangig die Themen der urologischen Niederlassung. Hier bringt sich der Berufsverband maßgeblich ein. Die längste Zeit der Weiterbildung wird in den Kliniken abgeleistet. Natürlich müssen wir hier überlegen, ob bestimmte Zusatzweiterbildungen in die Musterweiterbildungsordnung, also in das Kernkapitel, gehören. Dazu zählt die medikamentöse Tumortherapie. Es geht aber auch um die zukünftige Rolle der MRT-Bildgebung in der Weiterbildung. Möglicherweise werden die nächsten Leitlinien die MRT-Untersuchung schon vor eine Prostatabiopsie rücken. Deshalb ist es wichtig, dass jeder Urologe MRT-Bilder interpretieren kann. Sicher wird nicht jeder Urologe ein MRT-Gerät anschaffen, doch zumindest die Kenntnisse zur MRT-Beurteilung sollten allgemein vorhanden sein. Das muss dann in der Weiterbildungsordnung – anders als bisher – verankert werden und natürlich ist ein kollegialer Diskurs mit den Radiologen zu führen.

Welche Weiterbildungsthemen sind Ihnen sonst wichtig?
Speck: Wie in Berlin sollten medikamentöse Tumortherapie, fachgebundene Labordiagnostik und fachgebundene Radiologie keine Zusatzweiterbildungen sein, sondern Elemente des Kernkapitels Urologie. Die Frage ist, ob man dann mit der Weiterbildungs­befugnis der niedergelassenen Urologen mit einem Jahr Weiterbildung auskommt oder ob man die Weiterbildungsbefugnis auf 18 Monate verlängert. Die vergleichbare Fachrichtung Gynäkologie hat beispielsweise eine ambulante Weiterbildungsbefugnis von 24 Monaten in der MwbO verankert. Im Rahmen der Verbund-Weiterbildung werden die Niedergelassenen in Zukunft sicherlich eine andere Rolle in der Weiterbildung spielen. Dabei steht die medikamentöse Tumortherapie im Zentrum der Betrachtung. Wir reden aber auch über kleinere Operationen, die im Operationskatalog der Kliniken im Rahmen der Weiterbildung nicht zu bewältigen sind. Ich denke da an Vasektomien oder Zirkumzisionen sowie Eingriffe am Hoden. Es geht nicht um große Operationen und nicht darum, den Kliniken etwas abzugraben. Vielmehr geht es um eine kluge Ergänzung sowie die realistische Abbildung des Tagesgeschäfts. In diesen Fragen gibt es bestimmt unterschiedliche Auffassungen, die eine konstruktive  Diskussion anregen.

Werden Sie sich auch um die digitale Medizin kümmern?
Speck: Ja, ein brandaktuelles Feld. Da geht es um die Nutzung von Apps für Patienten und Urologen. Daraus ­werden sich inte­ressante Versorgungs­daten ergeben. Urologische Pa­tien­ten könnten diese Apps nutzen und dazu beitragen, dass ihre Behandlungsdaten in die Praxissysteme zurückgespielt und dort ausgewertet werden. Solche Datensammlungen erlauben schließllich strukturierte Ergebnisrecherchen. Anamnestische Fragebögen sind mit elek­tronischen Mitteln ganz anders auswertbar. Beispielsweise  kann es um die Frage gehen, wie sich ein Symptom in Laufe einer medikamentösen Therapie entwickelt.


Was halten Sie von Videokonferenzen und Videosprechstunden?
Speck: Das ist die Medizin der Zukunft, keine Frage. Dafür müssen natürlich alle Belange des Datenschutzes beantwortet und die elektronischen Verfahren standardisiert und qualitätsgeprüft sein. Ich habe kein Verständnis dafür, dass die elektronische Durchdringung des Gesundheitssystems sowie der Austausch von intersektoralen Daten so schleppend vo­rankommt. Hier muss viel mehr geschehen!  
(Franz-Günter Runkel sprach mit Dr. Thomas Speck)