In diesen Wochen beginnt der Wahlkampf zur Bundestagswahl im Herbst. Rechnerisch ist am Wahlabend entweder eine CDU- oder eine SPD-geführte Regierungskoalition als Sieger zu erwarten.
Wahrscheinlich würde eine SPD-geführte Koalition das Modell einer einheitlichen Bürgerversicherung umsetzen. Die Überlebenschancen der privaten Krankenversicherung und auch der privatmedizinischen Wahlleistungen wären in diesem Fall eher klein. Kein Wunder, dass viele niedergelassenen Urologen dieser möglichen Linkskoalition im Bund mit großer Sorge entgegenblicken.
„Chancen
für alle“ verspricht die SPD in einem Impulspapier rund um die Kernpunkte
Bürgerversicherung, Telemedizin, mehr Steuergelder für die Kliniken und
Stärkung der Allgemeinmedizin. Ende Mai will der SPD-Bundesparteitag daraus sein
Bundestagswahlprogramm beschließen. Ihre Ziele in der Gesundheitspolitik
beschreibt die SPD so: „Die Trennung von privat
und gesetzlich Versicherten und die empfundenen Unterschiede in der
Versorgung, z. B. bei den Wartezeiten auf Arzttermine, wird als ungerecht
empfunden. Die SPD wird die Zwei-Klassen-Medizin beenden. Wir werden erstmals
alle gleich versichern – in der paritätischen Bürgerversicherung. Bisher
Privatversicherte können wählen, ob sie in die Bürgerversicherung wechseln
möchten. Der Beitrag soll wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und
Versicherten gezahlt werden.“
SPD: für alle Patienten eine „einheitliche Honorarordnung“
Ein
Grundfehler der bisherigen Zwei-Klassen-Medizin besteht nach Ansicht der
Sozialdemokratie darin, dass Privatpatienten durch eine höhere Vergütung
bevorzugt werden. Deshalb werde die SPD mit der Bürgerversicherung eine „neue,
einheitliche Honorarordnung“ für Ärzte“ einführen. Die SPD will zusätzlich
einen „Marktwächter Gesundheit“ positionieren und startet damit einen neuen
Angriff auf ihren Lieblingsfeind: die individuellen Gesundheitsleistungen
(IGeL). „Die Flut kostenpflichtiger, medizinisch aber oft überflüssiger
IGeL-Leistungen wollen wir eindämmen“, heißt es in einem Programm-Entwurf zur
Bundestagswahl. Selbstzahlerleistungen sind für die SPD schon lange ein
Ärgernis. Der „Marktwächter Gesundheit“ soll eine Mischung aus digitalem
Beschwerdeportal und Informationstool werden. Individuelle
Gesundheitsleistungen sollen damit engmaschig überwacht werden, wie die FAZ
schreibt. Der Zeitung zufolge sehen die SPD-Pläne vor, dass künftig
vereinheitlichte Informationsaushänge in den Praxen Pflicht werden, auf denen
dargelegt wird, „warum IGeL-Leistungen nicht von den Krankenkassen bezahlt
werden“. Jeder Facharzt wird nach dem Willen der SPD verpflichtet sein,
zwischen Kassensprechstunden und Privatsprechstunden mit Wahlleistungen zu
unterscheiden. Eine Mischung wäre dann gesetzlich untersagt. Der „Marktwächter
Gesundheit“ soll ein Frühwarnnetzwerk sein, das in der Art eines
Vergleichsportals im Internet funktionieren soll.
Die CDU verfolgt eine Gesundheitspolitik der Regulierung
Von einer
CDU-geführten Gesundheitspolitik werden auf der anderen Seite kaum radikale
Systemveränderungen erwartet. Die Politik des Bundesgesundheitsministers
Hermann Gröhe war in der ablaufenden Legislaturperiode eher auf die
stationäre Versorgung (Krankenhausstrukturgesetz), die Pflege
(Pflegestärkungsgesetz) sowie die Kostendämpfung im Arzneimittelsektor (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz)
konzentriert. In der ambulanten Facharztmedizin ging es vor allem um
Regulierung und Systemoptimierung, weniger um Veränderung.
Das
Versorgungsstärkungsgesetz von 2015 zum Beispiel regulierte die Bedarfsplanung
neu, schuf Anreize für strukturschwache Regionen und schrieb Termin-Servicestellen für die
Arzttermingarantie vor. Mit dem E-Health-Gesetz wird eine
Telematikinfrastruktur eingerichtet, Video-Konsultationen und elektronische
Patientenakte werden festgeschrieben. Gleichzeitig erfolgt eine detaillierte
Regulierung der digitalen Medizin. Das Antikorruptionsgesetz erhebt die
Bestechung und Bestechlichkeit von Ärzten, Psychotherapeuten und allen
Heilberuflern zu Straftatbeständen. Wer aufgrund des neuen § 299a SGB V
angeklagt wird, dem drohen bis zu fünf Jahre Haft und Geldstrafen.
Der BDU vermisst in Gröhes Politik den Facharztbezug
Eigentlich
stehen die niedergelassenen Fachärzte vor einer Wahl ohne Optionen. Für Dr.
Holger Uhthoff, erster Vizepräsident des BDU, zum Beispiel ist die Politik
Hermann Gröhes keine wirkliche Gesundheitspolitik für Fachärzte. „Er hat einen
Wust von Gesetzen auf den Weg gebracht, aber die niedergelassenen Ärzte
spielten da eigentlich überhaupt keine Rolle. Vorhaben wie das E-Health Gesetz,
das Patientenrechtegesetz oder das Antikorruptionsgesetz dienen eher dazu, uns
Fachärzten die Arbeit weiter zu verkomplizieren. Wir werden uns in nächster
Zeit sehr intensiv mit den Wahlprogrammen der Parteien befassen und diese auch
zum Thema der Hauptausschusssitzung im Frühjahr machen“, so Uhthoff.
Neben der
Gröheschen Kontrollpolitik kritisiert Uhthoff die Zwei-Klassen-Medizin der
SPD-Politik von Karl Lauterbach. „Wir wissen, was wir von der
Bürgerversicherung zu halten haben. Es ist ein frommer Wunsch anzunehmen, dass
die Zeiten der Zwei-Klassen-Medizin mit der Bürgerversicherung zu Ende geht.
Was passiert denn, wenn sie tatsächlich eingeführt wird? Es wird die Gruppe der
Versicherten geben, die in der Bürgerversicherung Mitglieder sind. Dann wird es
eine zweite Gruppe geben, die zwar bürgerpflichtversichert ist, die aber
trotzdem in der Lage ist, sich pri-vatmedizinische Leistungen zu leisten.
Zusätzliche Gesundheitsleistungen wird diese zweite Patientengruppe einfach
einkaufen. Damit zementieren wir eine Zwei-Klassen-Medizin“, erläutert der
BDU-Vizepräsident.
Ein Verbot,
Leistungen außerhalb der Bürgerversicherung einzukaufen, widerspreche dem
Grundgesetz und werde nicht möglich sein. „Wenn ich einem gesetzlich
Versicherten individuelle Gesundheitsleistungen anbiete, verschweige ich ihm
nicht bewusst die Leistungen, die medizinisch möglich und sinnvoll sind. Ich
bin nicht der Verwalter der Krankenkasse, sondern der Partner des Patienten.
Als Arzt gibt der Patient mir Vertrauensvorschuss, den ich dann rechtfertigen
muss. Für die medizinische Beratung ist nachrangig, was Geld kostet und was
kein Geld kostet. Der Grundgedanke ist, den Patienten medizinisch möglichst gut
zu behandeln. Die Kostenfrage ist dann nachrangig. Wahlleistungen dienen der
guten Betreuung des Patienten und nicht primär dem Bankkonto des Arztes.“
„Marktwächter Gesundheit“ der SPD empört BDU-Vize
Besonders
empört reagiert Uhthoff auf den „Marktwächter Gesundheit“ der SPD. Er sei als
Mittel gegen systematische Wettbewerbsverstöße sowie andere Benachteiligungen
von Verbrauchern gedacht und nur über systematische Marktbeobachtung glaube die
SPD offenbar, solche Wettbewerbsverstöße ahnden zu können. „Lauterbach solle
dann stattdessen besser die berühmten `Nägel mit Köpfen´ machen und eine
Positivliste der von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen
Leistungen entwerfen. Ob die Politik diesen transparenten Leistungskatalog
allerdings wünscht, darf bezweifelt werden“,
so Uhthoff.
so Uhthoff.
Da die SPD
eine einheitliche Gebührenordnung für die Bürgerversicherung möchte, wird die
gerade von den Ärzten entwickelte neue GOÄ ebenfalls eine Rolle im Wahlkampf
spielen, wie auch Uhthoff glaubt: „Wir brauchen dringend eine neue GOÄ, weil
die alte Gebührenordnung restlos veraltet ist. Nach dem kürzlichen Neustart der
Verhandlungen und der anstehenden kompletten Überarbeitung des Entwurfs ist
eine neue GOÄ für den kommenden Ärztetag 2017 nicht zu erwarten. Selbst wenn
ein Entwurf vorläge“, so Uhthoff, „glaube ich nicht, dass Minister Gröhe
dieses Thema vor der Wahl noch einmal anfassen wird. Allerdings bietet uns
dieser Zeitgewinn nun auch die Möglichkeit, die GOÄ gründlich und fundiert zu
strukturieren und zu beschließen. Wir hoffen natürlich, dass nach der
Bundestagswahl eine Parteienkonstellation an die Regierung kommt, die einen
Sinn in einer neuen privatärztlichen Gebührenordnung sieht. Zweifelsohne wird
eine solche GOÄ gebraucht.“
Schulze befürchtet erhebliche politische Umwälzungen
Dr.
Matthias Schulze, zweiter Vizepräsident des BDU, hält „erhebliche politische
Umwälzungen“ nach der Bundestagswahl für möglich. „Die Bürgerversicherung steht
im Raum, aber auch die Frage einer neuen GOÄ wird sich dann entscheiden. Bundespolitisch herrscht ja
unter Bundeskanzlerin Angela Merkel und der großen Koalition eine
entpolitisierte Schockstarre. Mein Ideal ist eine freiheitliche
Gesundheitspolitik unter pluralistischen Vorzeichen. Das KV-System müsste
reformiert werden. Selbst der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach wird nicht
in der Lage sein, die privatmedizinischen Wunschleistungen in den urologischen
Praxen einfach so abzuschaffen. Alles andere wäre ein Weg außerhalb unserer
demokratischen Grundordnung“, meint Schulze. Ein weite-res Wahlkampfthema könnte die ambulante
spezialfach-ärztliche Versorgung
(ASV) sein. Die Zeichen mehren sich, dass der G-BA 2017 ein ASV-Modul Prostatakarzinom auflegen wird. Schulze
ist aber skeptisch, ob das „Bürokratie-Monster ASV“ Verbesserungen bringen
wird.
(Autor: Franz-Günter Runkel)