Dienstag, 17. Januar 2017

Elektronische Patientenakte ist Königsdisziplin der digitalen Medizin

Im Rahmen der 9. Urologischen Netzkonferenz während des DGU-Kon­-gresses in Leipzig befasste sich der langjährige BDU-Landesvorsitzende von West­falen-Lippe, Dr. Christian Tschuschke, mit dem brisanten Thema der elek­tronischen Patientenakte. Er erhob diese zur „Königsdisziplin für Inter­operabilität im Gesundheitswesen“ und stellte die Praxisvernetzung vor, wie sie der Dachverband Medis Münster momentan umsetzt.

Im Bild: Dr. Christian Tschuschke, BDU-Landesvorsitzender in Westfalen-Lippe.
So schwierig der politische Weg zur Realisierung der digitalen Medizin in der medizinischen Praxis sein mag, die Idee der elektronischen Patientenakte ist für Dr. Christian Tschuschke überzeugend: „Wir können die Praxisabläufe optimieren, die Morbidität abbilden, die Sicherheit der Arzneimitteltherapie steigern und gleichzeitig eine politische Antwort auf die Vorwürfe an die Ärzte parat haben.“ Tschuschke konnte dazu von der Umsetzung durch die Facharztinitiative Münster berichten, die sich als organisatorische Säule für EDV-Vernetzung und individuelle, qualitativ hochwertige Medizin sieht. 2009 gründete die Initiative gemeinsam mit dem Hausärzteverbund Münster den Dachverband Medis Müns­ter als Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Berufspolitische Vertretung im Dachverband Medis Münster

Der Dachverband unterstützt seine Mitglieder allgemein bei der berufspolitischen Interessenvertretung und der kollegialen Kooperation. Angestrebt werde im Speziellen eine verbesserte Kommunika­tion, interdisziplinäre Zusammenarbeit und Qualitätssicherung. Das Resultat sei die verbesserte integrierte Versorgung der Patienten, so Tschuschke. Das technische Kernelement dieser integrierten Versorgung ist folglich die EDV-Vernetzung: 205 Mitglieder, 125 Haus- und 80 Fachärzte in rund 130 Praxen nehmen an Medis Münster teil. 50 Ärzte beteiligen sich Tschuschke zufolge aktiv an der EDV-Vernetzung. Insgesamt bestehen im Bereich der Kassenärzt­lichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) 16 Praxisnetze gemäß § 87b SGB V mit 1.739 Ärzten. Die KVWL fördert innovative Kooperationsmodelle der Praxisnetze mit dem Ziel der Vernetzung
regionaler Versorgungsmodelle.

Mehrere Praxisnetze in Westfalen-Lippe, unter anderem Medis Münster, haben das Projekt einer IT-Vernetzung in Westfalen-Lippe gestartet. Die Urologen waren sich einig, dass die Un­abhängigkeit von der Privatärztlichen Verrechnungsstelle gewährleistet sein sollte. Das EDV-Netz sollte definierte Daten tauschen, Daten dezentral speichern und die Datenhoheit des Arztes sichern. „Die Grundidee war ein förderungsfähiges Leuchtturm-Projekt von neun Praxisnetzen in Westfalen-Lippe mit infrastrukturellem Mehrwert“, erklärte Tschuschke. Für Software und Schnittstellentechnik wurde der Produzent MicroNova und dessen Produkte Vivian und VisioContract vor­geschlagen. Für das Data-Sharing im Medis-Netz fiel die Wahl auf definierte Inhalte:
  • Verordnungen (Rezepte, Arbeits­unfähigkeitsbescheinigungen usw.),
  • Laborparameter oder Labor­kennziffer (optional),
  • Dauerdiagnose und Akutdiagnose,
  • digitalisierte fachärztliche Befunde wie Histologie, Gastrointestinaltrakt, Kolon, Sonografie usw.

Auch auf die Kosten ging der Münsteraner Urologe ein: „Einmalkosten fallen für das Netzbüro, die Praxis pro LANR (Lebenslange KV-Arztnummer), die zentrale und dezentrale Schulung an sowie die EDV-Installation nach Aufwand.“ Außerdem müssen 26 Euro monatlich laufende Kosten für das Netzbüro sowie 21 Euro pro Monat und Praxis pro LANR gerechnet werden. Laut Tschuschke begann man bei Medis Münster im September 2015 mit der EDV-Vernetzung. Seitdem seien 48 Ärzte in 16 Praxen vernetzt worden. Insgesamt seien derzeit 195 Ärzte in Münster, Marl, Recklinghausen und Steinfurt angeschlossen. 8.500 Patienten in Westfalen-Lippe haben sich bislang eingeschrieben.

Geschütztes Data-Sharing innerhalb des Netzes

Zentrales Element der EDV-Vernetzung ist das Krankenblatt mit den Befunden und chronologisch sortierten diagnostischen Maßnahmen inklusive der ICD-10-Kodierung. Die daraus generierte elektronische Pa­tienten­akte ist zum geschützten Data-Sharing innerhalb des EDV-Verbunds geeignet. Für die Zukunft bietet das System zusätzliche optionale Module:
  • Arzneimitteltherapiesicherheit: Medikamentenplan für Netzpatienten (z.B. Altenheimversorgung),
  • gemeinsame Behandlungspfade,
  • Anbindung von Pflegeheimen und Apotheken.

Für 2016 hat die KVWL dem Projekt der Praxisnetze fünf Millionen Euro För­dergelder für IT-Zwecke, Versorgungsmodelle und Integration neuer Praxen zur Verfügung gestellt. Für Christian Tschuschke steht fest: „Wichtiger als die EDV ist die Vernetzung in den Köpfen, aber ohne Geld läuft nichts.“
(Autor: Franz-Günter Runkel)

Entlassmanagement: Schiedsamt regelt, DKG klagt

Ab dem 1. Juli des Jahres sind Kankenhäuser verpflichtet, für jeden stationären
Patienten einen Entlassplan zu erstellen. Der Plan muss exakte ­Regelungen zu poststationären medizinischen bzw. pflegerischen Maßnahmen enthalten, außerdem Arbeits­unfähig­keitsbeschei­nigungen, N1-Rezeptierungen für die Übergangsmedikation, Verordnungen über Heil- und Hilfsmittel, Krankenpflege sowie die Soziotherapie. Dies hat das Bundesschiedsamt festgelegt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht darin nicht mehr als ein "Bürokratiemonster" und hat Klage eingereicht.


Die Verpflichtung der Krankenhäuser zum Entlassmanagement mit der Möglichkeit, Verordnungen auszustellen, geht zurück auf eine Vorgabe des Gesetzgebers im Versorgungsstärkungsgesetz. Die Details sollten KBV, Deutsche Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband beschließen. Da diese Gruppen aber keine Einigung erzielten, musste das erweiterte Bundesschiedsamt die strittigen Punkte regeln. Bislang scheitert eine abgestimmte Versorgungsplanung für die Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus an den starren Sektorengrenzen.

Lebenslange Arztnummer auch für Klinikärzte

KBV und GKV-Spitzenverband setzten gemeinsam durch, dass Krankenhausärzte zur Kennzeichnung der Verordnungen eine lebenslange Arztnummer (LANR) erhalten. Nach dem Schiedsspruch sind diese sowie die Betriebsstättennummer (BSNR) der Klinik auf allen Rezepten anzugeben. Alternativ zur LANR ist laut Schiedsamt auch eine Krankenhausarztnummer möglich, wenn sie dieselben Informationen wie die LANR enthält. Der Spruch des Schiedsamts komplettierte den dreiseitigen Rahmenvertrag zum Entlassmanagement.

Im Bild: DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum griff den Schiedsspruch scharf an.
Aus der Perspektive der Deutschen Krankenhausgesellschaft haben die Entscheidungen des Bundesschieds­amts aus dem Entlass- und Über­lei­tungsmanagement ein „bürokratisches Monster für die Krankenhäuser“ gemacht. „38 Millionen Blatt Papier und 50.000 Zwangsregistrierungen von Kran­kenhausärzten im KV-System sind ein Wahnsinn“, erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. „Zum formalen Entlassmanagement gehören Aufklärungsgespräche und das Ausfüllen von zwei Formblättern – verbunden mit der Möglichkeit des Patienten, ­datenschutzrechtliche Einwände zu erheben. Zeitlich bedeutet das, dass mindestens 50 Millionen Minuten Arbeitszeit gebraucht werden, also rund 100.000 Arbeitstage. Ent­lass­ma­nagement ist gut und rich­tig, aber nur für die Pa­tienten, die es brauchen“, so Baum. Ohne Nutzung für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Arzneimitteln hätten GKV und KBV mit ihrer Mehrheit vorge­geben, dass die Krankenhausärzte über die LANR der KVen zwangs­erfasst werden müssten.

Aus Sicht des GKV-Spitzenverbands werden hingegen mit der Entscheidung des Bundesschiedsamts Patienten künftig nach einem Krankenhausaufenthalt lückenloser und damit auch besser versorgt. „Der gesetzliche Anspruch für Patienten auf ein strukturier­tes Entlassmanagement besteht schon seit vielen Jahren, praktisch umgesetzt hatte es bisher aber nur ein Teil der Krankenhäuser. Trotz zahlreicher Regeln und Gesetze standen Pa­tienten daher immer wieder vor Problemen
bei einer anschließenden Versorgung, wenn sie nach dem Krankenhausaufenthalt weiteren Unterstützungsbedarf hatten“, so der Spitzenverband.

Johann-Magnus v. Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands, sieht den Schiedsspruch positiv: „Der Versorgungsbedarf von Patienten richtet sich nicht nach starren Sektoren oder Abrechnungsgrenzen. Die Entscheidung des Bundesschiedsamtes wird helfen, den Rechtsanspruch der Pa­tienten endlich in allen Kranken­häusern durch­­zusetzen. Das Bundes­schieds­amt hat das richtige Maß ­gefunden zwischen verbindlichen Ablaufstandards in den Kliniken und Hand­lungsspielräumen. Gewinner sind die ­Pa­tienten. Ihre Entlassung aus dem Krankenhaus wird künftig zielgerich­teter geplant, damit der Übergang von der Klinik zum weiterbehandelnden Arzt oder zur nächsten Versorgungseinrichtung reibungs­loser klappt.“

Maßnahmen im Entlassplan sind frühestmöglich einzuleiten

Grundsätzlich seien die Krankenhäuser nach den neuen Rahmenvorgaben verpflichtet, die im Entlassplan festgestellten erforderlichen Maßnahmen frühestmöglich einzuleiten. Ist dabei auch die Unterstützung durch die jeweilige Kranken- oder Pflege­kasse notwendig, nimmt das Krankenhaus Kontakt auf und der Übergang des Patienten in die nachfolgende Versorgung wird gemeinsam organisiert. Diese Serviceleistung setzt jedoch immer das schriftliche Einverständnis des Patienten voraus.
(Autor: Franz-Günter Runkel)

Dienstag, 10. Januar 2017

„Qualitätsoffensive“ des Krankenhausstrukturgesetzes endet im Kahlschlag



Das Generalthema „Zukunftsgestaltung“ des Krankenhaustags im Rahmen der Medica 2016 in Düsseldorf verkam angesichts der gemischten Jahres­bilanz der politischen Krankenhausfunktionäre zur Makulatur. Während DKG-Präsident Thomas Reumann 500 Millionen Euro aus dem Krankenhausstrukturgesetz in den Häusern vermisste, warnte VLK-Präsident Prof. Hans-Fred Weiser vor einer Ausdünnung der Versorgungslandschaft, die politisch als Qualitätsoffensive getarnt werde. Dass auch in der Pflege noch viel im Argen liegt, verdeutlichten die Statements der Kongresspräsidentin Irene Maier.

DKG-Präsident Thomas Reumann (r.) und VKD-Präsident Dr. Josef Düllings (l.) vor der Presse. 
Thomas Reumann, Präsident der ­Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), zog vor der Presse knapp ein Jahr nach Inkrafttreten des Krankenhausstrukturgesetzes eine erste Zwischenbilanz: Den Kliniken sei es zusammen mit der Politik gelungen, ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf den Weg zu bringen. „Mit dem Pflegezuschlag, der Tarifausgleichs­rate und den Förderprogrammen für Pflegestellen und Hygiene wurden wichtige Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Mitarbeiter in den Kliniken fair bezahlt und notwendige zusätzliche Kräfte eingestellt werden können“, so der DKG-Präsident.

Insgesamt seien die Rahmenbedingungen für die laufenden Kosten der Krankenhäuser deutlich verbessert worden. „Aber wir müssen ein Jahr später auch feststellen, dass ins­besondere die Kostenträger immer wieder Entscheidungen hinauszögern oder aber in der Umsetzung so abändern, dass bei den Kliniken das vorgesehene Geld nicht ankommt. Insgesamt stehen 500 Millionen Euro, die 2016 an die Krankenhäuser fließen sollten, im Stau“, kritisierte er. Beispielhaft nannte Reumann die Zen­trumszuschläge, die Finanzierung der Hochschulambulanzen oder die sta­tionäre Notfallversorgung. „Wer die Notfallversorgung tatsächlich verbessern will, muss sicherstellen, dass Notfälle nicht länger strukturell unterfinanziert und durch Budgetregelungen gedeckelt werden“, forderte Reumann. Es gebe jährlich elf Millionen ambulante Notfälle in den Krankenhäusern. „Solange wir keine sach­gerechte und faire Finanzierung erhalten, werden wir dieses Problem nicht schultern können.“

Facharztstatus in Ambulanzen liegt der DKG schwer im Magen

Bei den Zentrumszuschlägen sei es nicht nachvollziehbar, wenn die Krankenkassen als Förderer der Zentren Kriterien für die Anerkennung formulierten, die vorhandene Zentren gefährdeten oder sogar zerschlügen.

Schwierig sei auch die Situation der Hochschulambulanzen. Eine Hürde liege in der Komplexität der zwei- oder gar dreiseitigen Verträge zwischen DKG, Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Schwer im Magen liegt der DKG offenbar der geforderte Facharztstatus in den Ambulanzen, der ein Streitpunkt mit der KBV ist. „Der EBM-Bezug wird der Finanzierung der Hochschulambulanzen nicht gerecht. Deshalb liegen wir in diesem Punkt deutlich auseinander“, klagte Reumann.

Sprechen Mindestmengen für die klinische Qualität?

Prof. Hans-Fred Weiser, Präsident des Verbands der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands (VLK), erinnerte an seine skeptische Beurteilung der mit dem Krankenhaustrukturgesetz ein­geführten „Qualitätsoffensive“ der Bundesregierung. „Diese sogenannte ‚Qualitätsoffensive‘ mausert sich immer mehr zu einem Instrument der Ausdünnung der Versorgungslandschaft in unserem Land“, kritisierte Weiser. In dieses Bild passten auch die beim Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheits­wesen (IQTiG) beauftragten planungsrelevanten Qualitätsindikatoren.

„In der Geburtshilfe zum Beispiel besteht ein Qualitätsindikator in der Anzahl der schweren Dammrisse bei spontan Gebärenden. Schwere Dammrisse werden dabei in einer Menge von 3 % angegeben. Diese Anzahl soll gleichbedeutend mit Qualität sein. Tatsächlich ereignen sich solche Dammrisse aber in bis zu 10 % der Fälle. Die Konsequenz wird also sein, dass es in Zukunft weniger Spontangeburten und viel mehr Kaiserschnitte geben wird. Aus meiner Sicht hat dies nicht das Geringste mit Qualität zu tun“, kommentierte Weiser.

Auch die Einführung von Mindest­mengen solle die Qualität steigern. „Mittlerweile gelten Mindestmengen als Indikatoren für Qualität. Dies aber ist vollkommen falsch. Auch dies wird als Instrument zur Ausdünnung der Versorgungslandschaft missbraucht“, so Weiser. Der VLK stehe der nicht evidenzbasierten, generalisierenden Annahme, dass mit der Anzahl erbrachter Leistungen auch die Qualität der Leistungserbringung steige, nach wie vor ablehnend gegenüber, denn wenn der qualitätssteigernde Effekt von Mindestmengen nicht durch Studien hohen Evidenzgrades belegt werden müsse, führe dies zu einer GKV-initiierten, inflationären Aus­weitung der Anzahl von Mindestmengen, deren vordergründiges Ziel die Kostenreduzierung und nicht die Qualitätssteigerung sei. „Sinnvoll und sachgerecht erscheint die Vorgabe von Mindestmengen nur dann, wenn diese dazu dienen, Gelegenheitsein­griffe bei komplexen medizinischen Leistungen durch ungeeignete Leistungserbringer zu verhindern“, schloss Weiser. 

Kongresspräsidentin Irene Maier (l.) und VLK-Präsident Prof. Hans-Fred Weiser (r.) fanden deutliche Worte.
Ein Stein fiel Irene Maier, Kongresspräsidentin des 39. Deutschen Krankenhaustags und Pflegedirektorin des Universitätsklinikums Essen, vom Her­zen, als Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe anlässlich der Er­öffnungsveranstaltung ankündigte, das Pflegeberufsgesetz noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten lassen zu wollen. Zuvor waren Zweifel daran aufgekommen, weil parlamentarische Beratungen ohne Angabe von Gründen ausgesetzt worden waren. „Es ist skandalös“, so Maier vor dem Krankenhaustag, „wenn die Verabschiedung des Pflegeberufsgesetzes bewusst in die nächste Legislaturpe­rio­de verschleppt wird.“

Längst sei die Versorgung nicht mehr trennend organisiert, sondern sektorenübergreifend und interdisziplinär. „Wir haben demenzkranke alte Menschen, die im Krankenhaus wegen einer Oberschenkelhalsfraktur versorgt werden; wir haben aber auch im Altenheim viele Menschen, die krank und pflegebedürftig bleiben. Wir drängen die Politik deshalb, das Pflegeberufsgesetz zu verabschieden“, forderte Maier. Daneben werde aber auch dringend eine attraktive Aus­bildung benötigt – einschließlich einer Hochschulausbildung im Pflegebereich, sodass das Bedürfnis nach Qualifikation und persönlicher Entwicklung in den Pflegeberufen befriedigt werden könne. „Wir setzen außerdem auf die Expertengruppe des Bundesgesundheitsministeriums, um effektive Personalbemessungsinstrumente für die Krankenhäuser entwickeln zu können. Es geht darum, den realen Bedarf der Patienten zu decken, aber auch den der Angehörigen, denn auch diese benötigen Schulung und Beratung“, unterstrich die Kongresspräsidentin.

Maier nannte zwei Zahlen, um die Dimension des Pflegeproblems deutlich  zu machen: Der im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes gewährte Pflegekostenzuschlag von 500 Millionen Euro jährlich decke nur ein Fünftel des tatsächlichen Bedarfs. Das Pflegestellenprogramm erlaube gerade einmal die Einstellung von drei Pflegefachpersonen pro Krankenhaus. Bereits heute prägten akuter Personalmangel und gut 50.000 offene Pflegestellen die zunehmend prekäre Lage auf den Stationen.

VKD fordert flächendeckende Einführung der EPA

Die Digitalisierung der Gesundheitsbranche war ein dominantes Thema des Krankenhaustags. „Wir fordern ein nationales Investitionsprogramm zur flächendeckenden Einführung der elek­tronischen Patientenakte EPA“, so Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD). Nach einer Studie der Stiftung Münch erreiche Deutschland im Vergleich mit 20 europäischen Ländern mit Ach und Krach einen Platz im Digitalisierungsmittelfeld.

„Die IT-Infrastruktur sollte auch in Deutschland eine öffentliche Aufgabe sein“, so Düllings weiter. Hier sei die öffentliche Hand in der Pflicht, da es um eine In­frastrukturleistung gehe, die wiederum Voraussetzung für eine bessere Pa­tientenversorgung sei. Die digitale Realität in Deutschland beschrieb Düllings als eher trist: „Nur sechs Prozent der Kliniken mit Akutversorgung sind mit anderen Akteuren des Gesundheitswesens auf regionaler oder nationaler Ebene vernetzt. In Dänemark, Island und Schweden gilt dies für gut 50 Prozent der Häuser“, erläuterte Düllings. 85 von 100 US-Krankenhäusern seien digital voll vernetzt. Die Übertragung der US-Quote nach Deutschland würde Investitionen in Höhe von 1,55 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten.

Digitalisierung erlaubt bessere Nutzung der Ressourcen

Dabei liegen die Vorteile eines digital verbundenen Gesundheitswesens für Düllings auf der Hand. Die Münch-Studie verweise in diesem Zusammenhang auf eine effektivere und effizientere sowie leitliniengetreuere Versorgung, weniger Me­di­kationsfehler sowie einen ressourcenschonenderen Umgang mit Versorgungsleistungen. „Darüber hinaus sollten bei der Förderung einer funktionsfähigen IT-Infrastruktur auch die Optionen der individuellen Digitalisierung geprüft werden, zum Beispiel Möglichkeiten zur Nutzung von Health-Apps“, machte der VKD-Präsident deutlich. Grundsätzlich sei der Patient aufgrund mo­biler Internetnutzung und Wissensmanagements im Behandlungsprozess heute viel intensiver eingebunden. Smartphone-Apps gehörten für viele Menschen zum gesundheitsbewussten Alltag. Daher stünden die Tore zur digitalen Gesundheitswelt weit offen.   
Autor: Franz-Günter Runkel