Dienstag, 27. September 2016

68. DGU-Kongress: Michel soll Hakenberg an der DGU-Spitze folgen



7.000 nationale und internationale Teilnehmer werden zur 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie ab dem 28.September im Congress Center Leipzig erwartet. Unter der Leitung von DGU-Präsident Prof. Kurt Miller wird das Dilemma zwischen Ökonomie und Qualität Leitthema des Kongresses sein. Verbandspolitisch stehen die Wahlen eines neuen DGU-Generalsekretärs, eines ersten BDU-Vizepräsidenten sowie eines neuen Vertreters der niedergelassenen Urologen im Vorstand der Fachgesellschaft im Mittelpunkt der Jahrestagung. Neuigkeiten sind in der Immuntherapie des Nieren- und Blasenkarzinoms sowie in der Bildgebung beim Prostatakarzinom zu erwarten. Erstmals bietet der Kongress Live-Streams aus ­Operationssälen des Universitätsklinikums Leipzig an.

„Die Medizin braucht dringend Wege aus dem Dilemma zwischen Ökonomie und Qualität“, so DGU-Präsident Prof. Miller, Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik der Charité Berlin in einer Mitteilung der DGU-Pressestelle. „Und deshalb freue ich mich sehr, dass wir sowohl den Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses, Prof. Josef Hecken, als auch den Leiter des Instituts für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen, Dr. Christof Veit, und Franz Knieps, Vorstand BKK Dachverband, zu einer Round-Table-Diskussion im Eröffnungsforum in Leipzig begrüßen können.“

Mit insgesamt rund 100 Einzelveranstaltungen deckt die Jahrestagung praxisrelevante Fortbildungen sowie aktuelle Wissenschaftsnews in Dia­gnostik und Therapie auf allen Kern­gebieten der Urologie ab. Die perso­nalisierte Präzisionsmedizin steht im Fokus eines ersten Gemeinschafts­forums der DGU mit der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie.

 

Hakenbergs Bilanz nach sechsjähriger Amtszeit

 

 

Mit der Wahl des neuen DGU-Generalsekretärs endet die sechsjährige Ära Hakenberg (Foto oben).


An die Stelle des Rostocker Klinikdirektors soll Prof. Maurice Stephan Michel (Foto oben) aus Mannheim treten, der sich mit großem Erfolg am Aufbau der Akademie der Deutschen Urologen beteiligt hat. Prof. Oliver Hakenberg soll dem Vorstand als Vize-Präsident und Präsident bis 2019 erhalten bleiben. In seinem Abschlussbericht fasst Hakenberg die Veränderungen der Fachgesellschaft in den vergangenen Jahren zusammen:


  • Anstieg der DGU-Mitgliederzahl von 4.993 (2010) auf heute 5.843
  • stärkere politische Positionierung der DGU (Eröffnung eines Hauptstadtbüros, Öffnung für politische Themen, Aufhebung der strikten Trennung von Berufspolitik und Wissenschaft, Erweiterung des Vorstands um einen niedergelassenen Urologen)
  • fokussierte Förderung der Nachwuchsarbeit und der Forschung (UroEvidence, Arbeitsgemeinschaft Urologische Forschung, Eisenberger-Stipendien, Schüler-Veranstaltungen)
  • Straffung der Arbeitskreis-Struktur durch Implementierung einer gemeinsamen Geschäftsordnung
  • federführende Leitlinienarbeit und Publikation der S3-Leitlinien Prostata-, Nieren- und Blasenkarzinom)
  • Professionalisierung der Kongressorganisation durch organisatorische Standardisierung


Aber auch die praktische ambulante Urologie soll auf dem Kongress eine wichtige Rolle spielen. So befasst sich der Bund der Urologen am Donnerstag mit praktischen Fragen der Vernetzung im Zeichen der digitalen Medizin. Die kritische Bilanz der Fehlerkultur in der Urologie steht im Zentrum des berufspoltischen Forums von BDU und DGU am Freitag Vormittag.

  

„Praxistracks“ vermitteln  Wissen für Niedergelassene

 

Interessante Inhalte verspricht auch ein neuer Veranstaltungstyp dieses Kongresses, die sogenannten „Praxistracks“. In Teil 1 geht es am Freitag um praxisrelevante Aspekte der MRT-TRUS-Fusionsbiopsie der Prostata. Der zweite Teil befasst sich ebenfalls am Freitag mit Zukunfts­visionen der ambulanten Urologie. Beide Veranstaltungen sind sicher vor allem für niedergelassene Urologen interessant.

Rund 180 Unternehmen werden auf der begleitenden Indus­trieausstel­lung in Leipzig vertreten sein und innova­tive Medizinprodukte und -technik vorstellen. Einmal mehr gibt die medizinische Fachgesellschaft auf ihrem Kongress mit der Aktion „Werde Urologin/Urologe für einen Tag“ Ober­stufenschü­lern aus der Umgebung die außer­gewöhnliche Ge­legenheit, die Welt der Medizin kennenzulernen. Außerdem, so die DGU-Pressestelle in einer ­Mitteilung, sind interessierte Leip­ziger eingeladen, sich auf einem kostenfreien Patientenforum am 1. Ok­tober 2016 im CCL über urologische Erkrankungen zu informieren.
(Autor: Franz-Günter Runkel, Fotos: Runkel, IDW)

Länder stehlen sich aus der ­KHSG-Finanzierung



Thema: Krankenhausstrukturgesetz

Mit dem Anspruch der Fallzahlreduzierung und der Strukturbereinigung ­gestartet, wandelte sich das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) im parlamentarischen Prozess zur populistischen Allzweckwaffe, die Qualitäts­steigerung ins Visier nahm und gleichzeitig Personalaufstockungen in Pflege und Medizin versprach. Die Kardinalfrage der Finanzierung der Investitionskosten blieb dabei ungelöst, weil sich die Bundesländer wieder einen schlanken Fuß machen. Auf dem Hauptstadtkongress 2016 befasste sich ­eine fachübergreifende Expertenrunde mit der Thematik.

„Krankenhausstrukturgesetz – Top oder Flop?“ fragten die Organisatoren des Hauptstadtkongresses, ohne am Ende tatsächlich eine Antwort geben zu können. Moderator Dr. Robert Paquet erläuterte zu Beginn die Problematik: „Selten hat sich die Motiva­tionslage im Laufe eines Gesetzgebungsverfahrens so grundlegend verändert wie beim Krankenhausstrukturgesetz.“ Die ursprüngliche Intention des Gesetzes sei die Begrenzung der kritisch gesehenen Mengenentwicklung gewesen. Die Rede war von zu vielen Operationen bei bestimmten Indikationen. „Man hatte die Absicht, das stationäre Angebot zu bereinigen, auch mithilfe einer Qualitätsdiskus­sion. Heute aber ist das Ergebnis geprägt von ganz anderen Zielen: Es geht darum, das Personal der Kliniken aufzustocken, den Krankenhäusern zusätzliche Einnahmen zu verschaffen und Veränderungen so behutsam wie möglich zu gestalten“, fasste Paquet zusammen.

Die Ausgangspunkte des KHSG seien zum einen eine medizinisch nicht begründete Mengenausweitung und zum anderen eine rasante Zunahme defizitärer Krankenhäuser gewesen. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Qualitätsoffensive für die Krankenhäuser wurde daher von den Kliniken zunächst einmal als eine Bedrohung wahrgenommen, so Paquet. Im Oktober 2015 wendete sich jedoch das Blatt. Auf einmal gab es dickes Lob von der deutschen Krankenhaus­gesellschaft, wie Paquet ausführte. Zufriedene Gesichter gab es damals bei den Krankenhäusern, bitterböse Mienen bei den Krankenkassen, die eine vertane Chance beklagten. Einig war man sich am Ende nur in dem ­einen Punkt, dass das Problem der Investitionskosten-Finanzierung in den Kliniken ohne Lösung blieb – ­wieder einmal.

 

Das Pflegeprogramm ist ein Tropfen auf den heißen Stein

 

Für Barbara Schulte, Geschäftsführerin Finanzen und Infrastruktur der Klinikum Region Hannover GmbH, setzt das KHSG kaum reale Akzente. „Das KHSG wird nicht mehr Pflegepersonal in die Häuser bringen. Das Pflegeprogramm macht für unsere Region gerade einmal zehn Pflegevollkräfte aus. Die Zuwachsquote beträgt weniger als ein Prozent“, kritisiert die Finanzmanagerin eine reine Symbolpolitik. Stattdessen setze der Klinikbetreiber vor allem auf Eigeninitiative. „Wir als Klinikum Region Hannover haben im Zusammenhang mit unserer Klinikstrategie 2020 im vergangenen Jahr ein Krankenhaus geschlossen, Leistungen verlagert und neue Schwerpunkte gebildet. Wir haben dafür Investitionsmittel beim Land beantragt und warten nun auf eine Entscheidung“, so Schulte. Man werde sehen.

 

Finanzierung der Investitionen als Schwarzer-Peter-Spiel



Sonnen- und Schattenseiten des Gesetzes beschrieb Gabriele Sonntag (Foto), kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Tübingen. „Als Verband der Universitätskliniken haben wir das KHSG positiv bewertet. Das Gesetz hat Chancen, weil eine verstärkte Förderung für Zentren vorgesehen ist, weil eine besondere Finanzierung und Strukturierung der Notfallvorhaltung geplant ist und die qualitätsorientierten Finanzierungen im Vordergrund stehen“, so Sonntag.

Negativ seien jedoch die vielen ungeregelten Punkte: Da die Finanzierung der Investitionskosten nach wie vor ein Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Bund und Ländern sei, gebe es keine Lösung drängender Finanzfragen. Die Kosten-Preis-Schere gehe noch immer auseinander. Sonntag legte ihre Einschätzung dar: „Sicherlich gibt es aufgrund des Orientierungswerts, der 2018 greifen soll, eine Verbesserung. Allerdings ist auch das nicht mehr als ein Silberstreif am Horizont und bislang ist kein einziger Euro geflossen. Im vergangenen Jahr haben wir eine Basisfallwerterhöhung von 1,04 % erhalten, 2016 werden es 1,4 % sein. Sie können sich vorstellen, wie bei uns im Betrieb die Kostenentwicklung aussieht und was wir wieder alles einsparen müssen.“ Ausgesprochen perfide sei das nutzlose Pflegestellenförderprogramm.

 

Spezialisierung der ­Unikliniken wird bestraft


Typisch für die Symbolpolitik des Gesetzes sei die für Universitätskliniken elementare Frage der Extremkosten. Dieser Aspekt fehle im neuen Gesetz vollständig. Aktuelle Gutachten bewiesen eindeutig eine überproportionale Belastung der Häuser mit Maximalversorgung und der Universitätskliniken. Trotzdem sei wieder nichts passiert. Sonntag belegte dies mit einem Beispiel aus der Praxis „Wenn wir zum Beispiel die Kosten für intraoperative Magnet­resonanz-Tomo­gra­fien, also Wartung, Personalkosten, Technik usw., abbilden, dann legen wir sie natürlich auf alle damit verbundenen Fälle um. Das staatliche Entgeltinstitut INeK hält uns dann Unfähigkeit vor, normale Eingriffe zu vernünftigen Preisen erbringen zu können“.

Ähnlich geht es mit den Mengenrabatten. Der Fixkosten-Degressionsabschlag, der jetzt eingeführt werden soll, werde vor allem jene Kliniken bestrafen, die aufgrund von Spezialisierung und technischem Standard ein Wachstum der Menge zu verzeichnen hätten. „Universitätskliniken haben fast alle einen Anstieg. Der Grund ist eine immer stärkere Zentralisierung in der Medizin. Viele Fälle können nur noch in den hochspezialisierten Einrichtungen behandelt werden. Daher wird es weitere Zentralisierungen ­geben und damit auch weitere Mengeneffekte. Der Fixkosten-Degres­sionsabschlag bestraft letztlich Spe­zialisierung“, zog Sonntag resigniert Bilanz.

 

Konsens zur Nutzung der Ressourcen ist nötig


Spezialisierung und Qualität waren die Schlagworte, die Dr. Mani Rafii, Mitglied des Vorstands der Barmer GEK, besonders in den Vordergrund stellte. „Das Gesetz betont vor allen Dingen den Qualitätsaspekt. Die investierten Geldmittel entsprechen ja heute nicht der dadurch produzierten Menge an medizinischer Qualität. Ich finde es gut, wenn wir spezialisierte Versorgung an Zentren konzentrieren. Gleichzeitig wollen aber auch die peripheren Krankenhäuser weiter wachsen. Wir brauchen unbedingt einen gesellschaftlichen Konsens darüber, was wir uns mit dem zur Verfügung stehenden Geld in der Gesundheitsversorgung leisten wollen“, forderte Rafii mit Nachdruck.

 

Heftige Vorwürfe an die Bundesländer


Prof. Herbert Rebscher, Vorstands­vorsitzender der DAK Gesundheit, griff die Bundesländer scharf an. „Es ist ein Skandal, dass die Bundes­länder seit 20 Jahren ihren Verpflich­tungen zur Finanzierung der Inves­titionen in den Krankenhäusern nicht nachkommen. Das ist der Kern aller Probleme in den deutschen Krankenhäusern. Am Ende geschieht aber nichts, weil die ein­zelnen lokalen Krankenhäuser doch wieder von ih­-ren jeweiligen Planungsbehörden abhängig sind. Wir ­haben es hier mit einem ­System zu tun, das sich quasi ständig selbst ­narkotisiert“, stellte Reb­scher fest.

Clevere Krankenhaus­manager trieben deshalb ihr hausinternes Controlling an, um nach DRGs mit halbwegs ­realistischen Deckungsbeiträgen zu fahnden. „Wenn dies 2.000 Krankenhäuser tun, dann dürfen wir uns anschließend nicht wundern, wenn wir 200 Fallpauschalen mit stark ansteigenden Fall­raten haben und dass wir uns die Mengenentwicklung nicht mehr erklären können. In Wahrheit ist das völlig normal“, erläuterte Rebscher. Die zentrale Qua­litätsfrage sei ja, ob die gestellte ­In­dikation in jedem dieser Fälle überhaupt richtig gewesen sei.

 

Debatin geißelt deutsche „Jammerdiskussion“ 

 


Prof. Jörg F. Debatin (Foto), in London ansäs­siger Vizepräsident und CTO von GE Healthcare und früherer UKE-Manager, relativierte die deutschen Probleme aus internationaler Sicht. „Die deutsche Diskussion wird auf einem sehr hohen Jammerniveau geführt. Natürlich wird das KHSG nicht zu höheren Geldzahlungen führen. Wir müssen froh sein, wenn es nicht weniger Geld wird. Wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden, dass Gesundheit weiterhin expandiert und mit zunehmenden Geld­mitteln fi­nanziert wird“, analysierte Debatin nüchtern. Medizinische Qualität sei der Indikator für die Geldverteilung. Debatin plädierte für Mindestmengen als Maßstab für Geldzuweisungen: „Ich glaube schon, dass man einen Eingriff besser macht, wenn man ihn häufiger macht. Insofern sprechen wir da über einen gewissen Kon­zentra­tionsprozess und den halte ich in der Tat für sinnvoll.“

Im Argen liegt es aus Debatins Perspektive vor allem bei zwei Kardinalthemen: Digitalisierung und Weiterbildung. Im internationalen Vergleich falle Deutschland sowohl durch die ungenügende Entwicklung der vernetzten digitalisierten Medizin als auch durch die unstrukturierte und ineffektive Weiterbildung seiner Ärzte stetig zurück. Hier müssten Reformen ansetzen. 
(Autor: Franz-Günter Runkel, Fotos: Runkel)

Dienstag, 20. September 2016

IQUO-Kongress 2016: Qualität in der Versorgung am Limit


Im Rahmen des 6. Kongresses des Interessenverbands zur Qualitätssicherung der Arbeit niedergelassener Uro-Onkologen in Deutschland (IQUO) diskutierte der Verbandsvorsitzende Dr. Götz Geiges mit dem Leiter des neuen Instituts für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), Dr. Christof Veit, über die Rolle der ambulanten Onkologie im zukünftigen Gesundheitswesen.

Geiges (Foto links) wies in der Diskussion darauf hin, dass der IQUO-Verband aus der Motivation entstanden sei, Qualität zu messen, zu definieren und zu verbessern. „Wenn ich abends nach Hause gehe, habe ich aber heute oft nicht mehr das Gefühl, gute Medizin gemacht zu haben“, räumte Geiges ein. Veit sprach im Gegenzug eher die Qualitätsunterschiede im System als Problem an: „Wir wissen, dass es sehr gute, aber auch weniger gute Ärzte gibt. Wir wissen, dass es in der Pharmaindustrie sehr gute Aktivitäten, aber auch übersteigerte Profiterwartungen gibt. In der medizinischen Versorgung geht es um eine kritische Bilanz. Aus der stationären Versorgung kann ich gruselige Dinge erzählen. Dem IQTIG geht es darum, an dieser Stelle etwas zu ändern“, so Veit (Foto Mitte).

Ambulante und stationäre Versorgung besser verzahnen

Aus IQUO-Sicht sollte der Fokus eher darauf liegen, die ambulante onkologische Versorgung zu stärken, die oft als nutzloser Appendix der stationären Versorgung gesehen werde, wie Geiges darlegte: „Die Erreichbarkeit der medizinischen Versorgung könnte in Zukunft ein Problem sein, weil sich die Struktur doch mehr und mehr in Richtung des Krankenhauses entwickelt.“

In diesem Punkt rannte der IQUO-Vorsitzende bei Veit offene Türen ein: „Die Verzahnung zwischen stationärer und ambulanter Medizin macht doch den größten Sinn“, stellte Veit klar. Statt eines Kampfs der Sektoren gegeneinander sollte aus Veits Sicht eher eine Diskussion über das beste Miteinander der Versorgungselemente in Gang kommen. „Die gewachsene Bedeutung der Qualität könnte ja dazu führen, dass ambulante Versorgungsmodelle in Kooperation mit Krankenhäusern gezielt gefördert werden, weil dort wirklich eine gute Versorgung erreicht wird. Diese Modelle sind gefragt“, glaubt Veit. Diese Arbeit an der gemeinsamen Struktur wäre eine hervorragende Aufgabe für die Bundesärztekammer, so Veit. Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung sei ein guter Ansatz für ein solches gutes Versorgungsmodell.

Qualitätswerbung statt wirtschaftlicher Lobbyismus

Statt wirtschaftlicher Lobbytätigkeit empfahl Veit dem IQUO und dem Berufsverband niedergelassener Gynäkologischer Onkologen (BNGO) eine positive Positionierung des eigenen Qualitätsbeitrags in der Öffentlichkeit. „Intern können Sie natürlich diskutieren, wie Sie wirtschaftliche Existenz sichern und berufliche Zukunft gestalten wollen. Diese ökonomische Diskussion dürfen Sie aber nicht nach außen tragen. Nach außen müssen Sie Ihren Qualitätsbeitrag zur Versorgung definieren und bekannt machen. Das muss Ihre Strategie sein“, riet Veit.

„Wir sind in der Qualität sicher schon am Limit“

Geiges blickte auf 16 Jahre ambulante Tätigkeit zurück und fand den Veitschen Ansatz etwas naiv. „Ich habe nicht die Erfahrung gemacht, dass die Gesellschaft dazu bereit ist. Vielmehr hat die Gesellschaft die Qualitätsverbesserungen umsonst mitgenommen, ohne immaterielle und materielle Wertschätzung zurückzugeben. Da kam gar nichts zurück. Ich persönlich glaube nicht, dass wir uns noch mehr anstrengen und noch mehr Qualität produzieren können. Wir sind in der Qualität sicher schon am Limit“, stellte Geiges fest. Die einzige mögliche Strategie sei der Streik. Vor 15 Jahren hätten es die Franzosen geschafft, dass Ärzte und Patienten Arm in Arm auf die Straße gegangen seien, um für eine bessere Versorgung zu demonstrieren.

„Was denken Sie über einen Ärzte-Streik?“, fragte Geiges direkt. Veit zeigte sich betroffen: „Um Gottes willen. Das wäre das Falscheste, das Sie tun können, denn dann machen Sie deutlich, dass Sie die Versorgung der Patienten wegen ihrer eigenen materiellen Interessen vernachlässigen. Sie müssen sich fragen, ob Sie als ambulant tätige Onkologen durch Krankenhäuser ersetzbar sind oder nicht. Wenn Sie davon überzeugt sind, dass eine solche Entwicklung zu einem Qualitätsmangel führen wird, dann sollten Sie das Spezifische herausarbeiten und in der Öffentlichkeit klarmachen. Die ambulante onkologische Versorgung ist unverzichtbar – das muss die Botschaft sein“, forderte Veit. Im Gegenzug reagierte Geiges sehr skeptisch.

Die Diskussion zeigte, wie tief mitt­lerweile die Gräben zwischen Ärzteschaft und Politik bzw. politischen ­Institutionen sind.   
(Autor: Franz-Günter Runkel)

Freitag, 16. September 2016

DGU im Interview: Stärken und Schwächen der urologischen Forschung


Über Stärken und Schwächen der deutschen urologischen Forschung sprach UroForum mit den Verbandsspitzen der DGU-Forschungsförderung. Rede und Antwort standen Prof. Maximilian Burger, Leiter des DGU-Ressorts ­Forschungsförderung, Dr. Christoph Becker, Forschungskoordinator der DGU, Dr. Stefanie Schmidt, UroEvidence-Referentin im DGU-Hauptstadtbüro, ­sowie Dr. Hendrik Borgmann, Vorsitzender von GeSRU Academics, und der GeSRU-Vorsitzende Dr. Johannes Salem.

Herr Prof. Burger, sehen Sie ­signifikante Schwächen in der ­nationalen Forschungsstruktur?
Burger: Klar, die haben wir. Und das sind in erster Linie die strukturellen Probleme der deutschen Universitätslandschaft, also der eher starre Finanzierungsrahmen, unflexible Vergütungsstrukturen für hauptberufliche Forscher, starre Trennungen von Industrie und Universität. In der Urologie ist es nach meiner Wahrnehmung auch die Einbettung der Naturwissenschaftler in die Kliniken – hier arbeiten teilweise zwei Welten nebeneinander her. Eine ausbaufähige Vernetzung der Gruppen untereinander fällt schwer. Aber genau hier greifen wir an. Beispielsweise ­wurden seit 2010 über 20 junge Urologen mit Ferdinand-Eisenberger-For­schungs­stipendien gefördert. Die Publikationen aus den Projekten erzielten rund 500 Impact-Punkte und die Stipendiaten warben beeindruckende 10 Mio. Euro externe Forschungsmittel ein. Zudem stimmen viele harte Faktoren! Wir haben eine der größten und aktivsten Fachgesellschaf­ten mit dem weltweit drittgrößten Kon­gress sowie auch international sicht­bare Gruppen. Und Deutschland steht be­zogen auf die Zahl der Forschungs-verbünde zu urologischen Krank­heitsentitäten an führender Position in Europa.

Salem: Die nationale Forschungsstruktur ist gerade für Nachwuchsforscher stark an die eigene Klinik gebunden. Eine Vernetzung zu anderen Kooperationspartnern im gleichen Forschungsfeld wird dadurch erschwert und die zunehmend wichtigere institutionsübergreifende Forschung fällt schwerer. Außerdem können mögliche Synergien durch Vernetzung nicht zustande kommen. Kreativer Austausch und Motivation könnten optimaler gefördert werden. Die bestehenden Netzwerke sind häufig erst etablierten Forschern zugänglich, wobei gerade die Hürden zu Beginn der Forscherlaufbahn hoch sind. Daher ist es wichtig, den Nachwuchs optimal einzubinden und zu fördern.

Warum konnte die „Generation Y“ bisher so selten für die Forschung gewonnen werden?
Salem: Die „Generation Y“ ist an einem balancierten Verhältnis zwischen ­Arbeit und Privatleben interessiert. Gleichzeitig ist gerade die Arbeitsbelastung in Unikliniken sehr hoch und die reine Patientenversorgung erfordert oft schon einen Zwölf-Stunden-Tag. Danach beginnt meist erst die Zeit für die Forschung. Viele sind nicht mehr gewillt, ihr komplettes Leben auf die Arbeit auszurichten und Familie und Freunde sowie sich selbst kompromisslos zu vernachlässigen. Am Beispiel des urologischen Nachwuchswissenschaftler-Netzwerks GeSRU Academics sieht man jedoch, dass grundsätzlich Interesse an der Forschung besteht. Leider fehlt vielen Motivierten schlicht die Zeit und Unterstützung für ambitionierte Forschung.

Wie weit ist das GeSRU-Academics-Konzept der vernetzten Forschungsförderung bereits gediehen?
Borgmann: Die GeSRU Academics vernetzen über 100 Nachwuchswissenschaftler in 14 Arbeitsgruppen in einem lebendigen Netzwerk. Durch vier Präsenztreffen pro Jahr und monatliche Skype-Konferenzen ist die Aktivität in den Gruppen hoch, sodass bereits 48 Projekte laufen. Das Spektrum reicht von systematischen Übersichtsarbeiten über retrospektive Multicenterstudien bis zu randomisierten kli­nischen Studien. Von Beginn an sind DGU, die Arbeitsgruppe urologische Forschung (AuF) und UroEvidence daher unsere wichtigsten Partner.

Wie beurteilen Sie die Erfolge der AuF beim Aufbau von Forschungsnetzwerken und der individuellen Förderung junger Forscher?
Becker: Sehr hoch. Bei der individuellen Förderung von Nachwuchsforschern sehe ich natürlich an erster Stelle das Ferdinand-Eisenberger-Stipendienprogramm der DGU. Mit dieser äußerst erfolgreichen Maßnahme fördert die Fachgesellschaft jedes Jahr interessierte und talentierte junge Urologen für ein Forschungsjahr. Die jungen Forscher werden dabei von ihren klinischen Verpflichtungen befreit. Der Benefit ist dabei nicht nur auf ­Publikationsleistungen und Drittmit­teleinwerbungen beschränkt, sondern das Programm fördert auch die akademisch-klinischen Karrieren der Stipendiaten und setzt strukturelle Impulse für die beteiligten Heimatkliniken. Daneben regt die AuF mit allgemeinen und individuellen Förder- und Antragsberatungen, ihren subventionierten Workshop-Programmen sowie dem AuF-Symposium junge Forscher zu Forschungsprojekten, Weiterbildung und wissenschaftlichem Austausch an. Schließlich ist es eine Kernaufgabe der AuF, krankheitsbezogen forschende Netzwerke in der Urologie zu unterstützen. Nicht zuletzt wurde das AuF-Symposium 2014 exklusiv der Arbeit dieser Netzwerke gewidmet. Die AuF hilft darüber hinaus auch bei der Initiierung neuer Verbünde. Ein Beispiel ist das 2015 gegründete BRIDGE-Consortium (Bladder Cancer Research Initiative for Drug Targets Germany). Von Beginn an unterstützt die AuF zudem die großartige Arbeit der GeSRU Academics.

Wie viele urologische Studien ­konnten bereits WHO-konform im DRKS akkreditiert werden?
Becker: Nach fünfjährigem Betrieb sind im Urologischen Studienregister über 480 urologische Studien regis­triert, was für uns eine sehr erfreuliche Akzeptanz dieser Einrichtung bedeutet. Die Vorteile unseres fachspezifischen Studienregisters liegen auch auf der Hand: Das in Partnerschaft mit dem deutschen Primärregister der WHO, dem Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS) in Freiburg und der Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie (AUO) der Deutschen Krebsgesellschaft betriebene Urologische Studienregister erhöht die Sichtbarkeit von urologischen Studien, erleichtert die Recherche und verbessert die Rekrutierung. Es listet WHO-konform in Deutschland initiierte oder an deutschen Kliniken und Praxen durchgeführte urolo­gische Studien auf, transparent für Ärzte, Patienten, Studienzentren und Sponsoren übersichtlich und nach Krankheitsentitäten geordnet auf. Dabei  ist das Urologische Studien­register gleichberechtigt zum Beispiel mit dem amerikanischen Register Clinical­Trials.gov und findet sich auch im WHO-Metaregister ICTRP wieder.

Wie beurteilen Sie die ­Resonanz der UroEvidence-Angebote?
Schmidt: Die Resonanz auf UroEvidence ist durchweg positiv. Wir erhalten zunehmend Anfragen mit der Bitte um methodische Unterstützung zu konkreten Projektideen. Dementsprechend haben sich auch die Arbeitsinhalte von UroEvidence im Laufe der Zeit gewandelt. So ist die ursprüngliche Idee der Synthese von Information mittels sogenannter systematischer Übersichtsarbeiten ergänzt worden durch einen weiteren Schwerpunkt, nämlich die Leitlinienarbeit. Konkret unterstützt UroEvidence Leitliniengruppen bei der Suche, Erstellung und Be­wertung der aktuellen Evidenz. Man kann also sagen, dass die Ergebnisse von UroEvidence mittlerweile verstärkt direkten Einfluss auf die Patientenversorgung haben. Diese po­sitive Resonanz macht sich auch personell bemerkbar, sodass wir mittlerweile unser Team immer wieder projektbe­zogen erweitern und unsere Strukturen profes­sionalisieren.

Warum ist Forschungsförderung im gesundheitspolitischen Umfeld so entscheidend?
Burger: Einmal wegen einer der ökonomischen Situation vieler Kliniken und Fakultäten, die kaum noch Freiraum für zunächst „unökonomische“ Forschungszeiten erlaubt. Hier muss man aber die langfristige Sicherung der Konkurrenzfähigkeit im Auge haben, die nur mit Entwicklung zu gewährleisten ist. Und auch eine spezifische Stärke der urologischen Forschung in Deutschland ist wichtig, nämlich der recht große Bezug zur Patientenversorgung. Man arbeitet hier an konkreten praktischen Verbesserungen von Diagnostik und Therapie. Das erwartet die Politik von einer Fachgruppe und hier haben wir gute Argumente, umstrittene Felder wie beispielsweise die Uro-Onkologie für uns zu erhalten.   
(Autor: Franz-Günter Runkel)