Nach der drastischen Korrektur der
PLCO-Ergebnisse zur PSA-Früherkennung 2016 hat nun auch die US Preventive Services Task Force (USPSTF)
reagiert und ihr negatives PSA-Votum von 2012 stark relativiert: Sie sieht nun
Risiken und Nutzen als nahezu ausgeglichen. Auch DGU und BDU konstatieren eine erneute Wende in der PSA-Bewertung, halten sich
aber nach der unglücklichen Hakenberg-Forderung
nach der PSA-Bestimmung als Kassenleistung im Herbst noch zurück. Derzeit glauben Fachgesellschaft und Berufsverband, noch
nicht genügend Pfeile im Köcher zu haben, um die GKV-Trutzburg des G-BA in der
PSA-Frage stürmen zu können.
Die USPSTF
sieht Risiken und Nutzen der PSA-Bestimmung heute fast ausgeglichen. Männer
zwischen 55 und 69 Jahren, so die US-Empfehlung, sollten gemeinsam mit ihrem
Arzt eine individuelle Entscheidung über den PSA-Test treffen. Das PSA-basierte
Screening wird bei Männern ab 70 Jahren weiterhin nicht empfohlen. 2009 hatte
die US-Studie Prostate, Lung,
Colorectal and Ovarian Cancer Screening Trial (PLCO) für weltweit große
Ernüchterung in der Bewertung des PSA-Tests gesorgt. Die Daten der 80.000
PLCO-Patienten hatten im Hinblick auf die Mortalität keinen Unterschied
zwischen dem Screeningarm und dem Kontrollarm der Studie ergeben. Plötzlich
stand der PSA-Wert für Geldverschwendung, Überdiagnostik und Übertherapie.
2012 schloss sich die USPSTF dem negativen Votum an.
PLCO-Daten durch frühere Tests entscheidend verfälscht
Es dauerte
weitere vier Jahre, bis eine erneute Auswertung der PLCO-Daten erstaunliche
Resultate ergab. Viele Männer aus dem PLCO-Kontrollarm waren bereits zuvor zum
PSA-Test gegangen und hatten die PLCO-Ergebnisse damit entscheidend
verfälscht. Unter dem Strich hatten neun von zehn PLCO-Teilnehmern aus der
Kontrollgruppe bereits eine PSA-Bestimmung erhalten. Absurderweise ergaben sich
in der Kontrollgruppe sogar mehr PSA-Bestimmungen als im Screeningarm.
„Letztlich wurden also Äpfel mit Äpfeln verglichen und am Ende kam
logischerweise heraus, dass Äpfel gleich Äpfel sind“, erklärte Prof. Gerd
Lümmen, Urologie-Chefarzt im St. Josef Hospital Troisdorf bei einer Tagung in
Düsseldorf. In der Studie wurden demnach zwei Gruppen verglichen, die beide
fast gleich häufig PSA-getestet wurden. DGU-Generalsekretär Prof. Maurice
Stephan Michel betonte im DGU-Pressedienst: „Es verwundert nicht, dass dabei
kein relevanter Unterschied zwischen beiden Gruppen gefunden werden konnte.
Diese Erkenntnisse haben in der Zusammenschau mit der aktualisierten Auswertung
der ERSPC-Studie international eine Neubewertung des Stellenwerts des PSA-Tests
eingeleitet.“
In der European Randomized Study
of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) führte das PSA-Sreening bei knapp 350 von 10.000 Männern zur Entdeckung eines
Prostatakarzinoms. Die Studie mit insgesamt 160.000 Teilnehmern aus vielen
europäischen Ländern ergab eine signifikante Senkung der Mortalität im
Screeningarm im Vergleich zum Kontrollarm, so Lümmen. Die Reduktion lag bei
etwa 21%.
Doch trotz
dieser stark veränderten internationalen Forschungslage bleiben DGU und BDU
vorsichtig. Der PSA-Test ist berufspolitisch ein heißes Eisen, denn er ist ein
Symbol für die privatmedizinische Unabhängigkeit der niedergelassenen Urologen,
das viele Niedergelassene trotz ökonomisch eher marginaler Bedeutung gerne als GOÄ-Leistung erhalten
möchten. Zudem ist das prostataspezifische Antigen trotz der veränderten
Forschungsdaten ein ambivalentes Instrument, bei dem zwischen Nutzen und Folgen
wohl abgewogen sein sollte.
BDU sieht die Zeit noch nicht reif für ein GKV-PSA-Screening
„Für eine
allgemeine Screening-Empfehlung ist die Zeit noch nicht reif“, betont deshalb
BDU-Präsident Dr. Axel Schroeder. Allerdings wagen sich die Verbände dann doch
ein Stück weit aus der berufspolitischen Deckung und formulieren eine aktuelle
Empfehlung, wann der PSA-Wert mit einem Patienten, der den Wunsch nach einer Früherkennungsuntersuchung
hat, erörtert werden sollte.
DGU-Präsident Prof. Tilman Kälble (Foto) fasst es in folgende Worte: „Der sogenannte Baseline-PSA im Alter von 40 oder 45 Jahren gibt eine gute Information über das individuelle Risiko, irgendwann später an einem Prostatakarzinom zu erkranken. Je nach Höhe dieses Werts, insbesondere wenn bei jüngeren Männern in der Familie ein Prostatakarzinom bereits vorkam, kann angemessen reagiert werden.“ Von dieser Konstellation hängen auch die Kontrollintervalle ab, die bis zu fünf Jahre betragen und lebensrettend sein können. Neben der Baseline-PSA-Bestimmung erscheint eine Testung zwischen dem 55. und 70. Lebensjahr das Risiko einer Übertherapie eindämmen zu können.
DGU-Präsident Prof. Tilman Kälble (Foto) fasst es in folgende Worte: „Der sogenannte Baseline-PSA im Alter von 40 oder 45 Jahren gibt eine gute Information über das individuelle Risiko, irgendwann später an einem Prostatakarzinom zu erkranken. Je nach Höhe dieses Werts, insbesondere wenn bei jüngeren Männern in der Familie ein Prostatakarzinom bereits vorkam, kann angemessen reagiert werden.“ Von dieser Konstellation hängen auch die Kontrollintervalle ab, die bis zu fünf Jahre betragen und lebensrettend sein können. Neben der Baseline-PSA-Bestimmung erscheint eine Testung zwischen dem 55. und 70. Lebensjahr das Risiko einer Übertherapie eindämmen zu können.
Trotzdem
leiten DGU und BDU daraus keine allgemeine Forderung nach dem PSA-Test als
Kassenleistung ab. Die beiden urologischen Verbände teilen ebenso wie der
Bundesverband Prostatakrebs-Selbsthilfe (BPS) die Einschätzung, dass abgewartet
werden sollte, bis die Datenlage so stark ist, dass die Aussichten auf ein
positives Votum des G-BA hoch genug sind. „Bis dahin wollen wir weiter
gemeinsam an der öffentlichen Wahrnehmung und objektiven Einschätzung und
Bedeutung des PSA-Werts arbeiten, aber auch alternative
Früherkennungsuntersuchungen des Prostatakarzinoms wissenschaftlich weiter
untersuchen“, so DGU-Pressesprecher Prof. Christian Wülfing. Übrigens wird der
PSA-Test auch auf dem DGU-Kongress im September in Dresden ein wichtiges Thema
sein. Dann soll das PSA-Screening auf den Prüfstand gestellt werden.
Patientenverband BPS will risikoadaptierte PSA-Tests
Der BPS-Vorsitzende Günter Feick hat die längst überfällige Empfehlung der USPSTF ausdrücklich begrüßt. Sie bestätige die Position des Verbands: Der PSA-Test sei noch immer die beste Methode, um die Notwendigkeit einer leitlinienkonformen Biopsie rechtzeitig zu erkennen, mit der ein Verdacht auf Prostatakrebs zunächst ausgeschlossen oder bestätigt werden könne. Über Nutzen und Risiken des PSA-Tests sollten Patienten von ihren Ärzten ausführlich informiert werden, so Feick. Ein kassenfinanziertes PCa-Früherkennungsprogramm in Deutschland müsse die relevante Altersgruppe, die PSA-Schwellenwerte, die Häufigkeit des PSA-Tests, der bildgebenden Verfahren und Biopsien definieren.
Autor: Franz-Günter Runkel
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